Rente ist keine Option für die 65-jährige Präsidentin der EU-Kommission. Ursula von der Leyen will weitere fünf Jahre die Regierungsgeschäfte der EU leiten. Für eine zweite Amtszeit muss sie vom EU-Parlament gewählt werden. Darum sind die Europawahlen im Juni wichtig, könnte man meinen.
Darum hat sie die Europäische Volkspartei, aktuell grösste Partei im EU-Parlament, auch als Spitzenkandidatin nominiert. Allerdings: Wählen kann Ursula von der Leyen niemand. Der Name der deutschen CDU-Politikerin steht auf keiner Wahlliste. Sie ist nur Aushängeschild ihrer Partei für die Europawahlen.
Generalsekretär als Wahlkampfleiter ad interim
Eigentlich müsste Ursula von der Leyen ihre Auftritte zugunsten ihrer Partei trennen von ihrer Funktion als EU-Kommissionspräsidentin, die sich am Gesamtinteresse zu orientieren hat. Das schreibt der Verhaltens-Kodex zwar vor; in der Praxis ist die Trennung aber unmöglich.
Zumal ihr Generalsekretär in der EU-Kommission weiterhin die Fäden zieht. Er hat sich vor kurzem beurlauben lassen, um die gleiche Tätigkeit wie bisher fortzuführen als Wahlkampfleiter: Er wacht über alle Wortmeldungen und Termine seiner Chefin. Die Farce wird durch die Meldung bestätigt, dass der Wahlkampfleiter am Tag nach den Europawahlen auf seinen Posten als Generalsekretär zurückkehrt.
Ab diesem Tag wird er den Staats- und Regierungschefs der EU die besten Argumente unterbreiten, warum EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen die beste Wahl sei für eine zweite Amtszeit.
Kritik: Günstlingswirtschaft
So funktioniert das System seit fünf Jahren. Ursula von der Leyen umgibt sich mit loyalen, deutschsprachigen Parteifreundinnen und Verwaltungsbeamten. Jüngst berief sie noch den Chef der deutschen CDU-Abgeordneten im EU-Parlament an ihre Seite, als Berater für mittelständische Unternehmen.
Vier EU-Kommissare protestieren öffentlich gegen diese Günstlingswirtschaft. Einmalig. Offenbar gab es zwei Bewerberinnen, die im offiziellen Verfahren besser qualifiziert waren für diesen Job, aber eben den falschen Pass und das falsche Parteibuch besitzen, behaupten jedenfalls jene vier EU-Kommissare.
Partei gegen Gesamtinteresse
Das zuständige Aufsichtsgremium des EU-Parlaments hat eine Untersuchung lanciert. Ursula von der Leyen wird alles aussitzen. Sie weiss, dass ihre zweite Amtszeit von den 27 Staats- und Regierungschefinnen hinter verschlossenen Türen beschlossen wird. Die europäischen Parlamentswahlen sind ein Nebengeschäft.
Die EU als undemokratisches Bürokratiemonster, intransparent, wo sich machbewusste Parteifreundinnen gutbezahlte Jobs zuschanzen. Wer das glauben will, sieht sich dank der Amtsführung von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bestätigt.