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Deutschland: Rückblick auf das Schaffen von Wolfgang Schäuble
Aus Tagesschau vom 27.12.2023.
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Ex-Bundestagspräsident Früherer deutscher Bundestagspräsident Schäuble gestorben

  • Der frühere deutsche Bundestagspräsident und Innen- und Finanzminister Wolfgang Schäuble ist tot.
  • Der CDU-Politiker sei im Kreise seiner Familie zu Hause am Dienstagabend gegen 20 Uhr friedlich eingeschlafen, teilt die Familie der Deutschen Presse-Agentur mit.
  • Er wurde 81 Jahre alt.

Mit Wolfgang Schäuble ist einer der einflussreichsten deutschen Politiker der vergangenen Jahrzehnte gestorben. Der Badener hat viel erreicht in seinem Leben. Schäuble gehörte dem Bundestag seit 1972 an. In seiner langen politischen Laufbahn war er Minister, CDU-Chef, CDU/CSU-Fraktionsvorsitzender und Präsident des Deutschen Bundestages. Niemand gehörte dem Parlament länger an als er.

Würdigung von Deutschland-Korrespondent Stefan Reinhart

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Es war ein hektischer Tag im Finanzministerium in Berlin 2012. Wolfgang Schäuble hatte Termine ohne Ende – unter anderem mit dem Schweizer Fernsehen. Schäuble war dennoch pünktlich, fast auf die Sekunde. «In der Schweiz darf man nicht zu spät kommen», sagte er mit einem Grinsen. Das Interview begann, es ging um den Steuerstreit mit der Schweiz und um ein Steuerabkommen, das schliesslich versenkt wurde.

Schäuble kämpfte für das Abkommen, betonte immer wieder, wie wichtig gute Beziehungen Deutschlands zu einem «der am engsten befreundeten Staaten» war. Der Baden-Württemberger verstand die Schweiz, war auch für Schweizer Politikerinnen und Politiker immer wieder Ansprechpartner. Erreichbar via SMS auf seinem alten Nokia-Handy, an dem er im politischen Berlin wohl am längsten festhielt – auch dann noch, als alle schon ein Smartphone hatten. Im Kabinett brachte Schäuble die Schweizer Sicht immer wieder ein – Angela Merkel, die Ostdeutsche, war da politisch und emotional weiter weg.

Am Schluss war es eine Niederlage in Sachen Steuerabkommen – eine von vielen in Schäubles Leben und natürlich nicht die Bedeutendste. Doch Schäuble machte weiter – wurde Bundestagspräsident, als ein von allen Seiten hochgeachteter Politiker. Der auch in dieser Position einen guten und engen Kontakt zur Schweiz pflegte. Der abends bei Veranstaltungen in der Schweizer Botschaft in Berlin oft lange Gespräche führte, obwohl seine Frau Ingeborg schon lange zum Aufbruch mahnte. «Ich komme gleich», sagte Schäuble immer wieder. Jetzt ist er für immer gegangen.

Schäuble wurde am 18. September 1942 in Freiburg (heute Baden-Württemberg) geboren. Er studierte Jura. Früh zog es ihn aber in die Politik. Er trat 1965 in die CDU ein. 1972 errang er erstmals ein Mandat für den Bundestag, dem er ohne Unterbrechung bis zu seinem Tod angehörte.

Mit dem Namen Schäuble sind Jahrzehnte deutscher Politik verbunden. Unter Kanzler Helmut Kohl (CDU) war er zunächst Chef des Bundeskanzleramtes und Bundesminister für besondere Aufgaben, von 1989 bis 1991 amtierte er als Bundesinnenminister. Schäuble handelte nach dem Mauerfall den Einigungsvertrag mit der DDR aus.

Wolfgang Schäuble im Rollstuhl.
Legende: Seit dem Attentat eines geistig verwirrten Mannes auf ihn im Oktober 1990 sass Wolfgang Schäuble im Rollstuhl, seine politische Karriere ging aber weiter. KEYSTONE/Kay Nietfeld

Von 1991 bis 2000 führte er die CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Nach dem Machtverlust der Christdemokraten 1998 wurde Schäuble im Zuge der Neuaufstellung der CDU Parteichef. Angela Merkel wurde Generalsekretärin.

In den Turbulenzen der CDU-Spendenaffäre und nach Aussagen zu einer 100'000-Mark-Barspende trat Schäuble im Februar 2000 als CDU-Chef zurück. Merkel wurde Parteichefin, 2005 machte sie als Kanzlerin Schäuble zum Innenminister, vier Jahre darauf zum Finanzminister. Das Amt hatte Schäuble während zweier Wahlperioden inne, er schaffte die «schwarze Null», also einen Bundeshaushalt ohne neue Schulden.

Merkel und Schäuble sprechen zusammen im Deutschen Bundestag.
Legende: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) unterhalten sich 2019 vor Beginn der Plenarsitzung im Deutschen Bundestag. Keystone/BERND VON JUTRCZENKA

Nach der Bundestagswahl 2017 wurde Schäuble als Nachfolger von Norbert Lammert zum Bundestagspräsidenten gewählt, das zweithöchste Amt im Staat. Das höchste Amt im Staat, das des Bundespräsidenten, blieb Schäuble verwehrt. Nach der von der CDU/CSU verlorenen Bundestagswahl 2021 zog sich Schäuble aus den Führungsgremien zurück.

Gehörte eher zu den konservativen Politikern

Im Bundestag wurde die SPD-Politikerin Bärbel Bas Präsidentin, Schäuble war nun einfacher Abgeordneter. In seiner Rede als Alterspräsident – jener Abgeordnete mit den meisten Dienstjahren – warb er für einen offenen Diskurs und selbstbewusste Abgeordnete. In seiner Partei zählte Schäuble eher zu den konservativen Politikern, hinter den Kulissen hatte sein Wort stets Gewicht.

Mitglieder des deutschen Koalitionskabinetts.
Legende: Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel (dritte von rechts) und der CSU-Vorsitzende Edmund Stoiber (vierter von rechts) stellen der Presse nach einer CDU/CSU-Fraktionssitzung 2005 ihre Unionsministerriege vor. Keystone/ROBERTO PFEIL

Auf der anderen Seite hatte er früher als andere die CDU zur Offenheit für Bündnisse mit den Grünen aufgerufen. Schon 2007 sagte er der «Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung»: «Schwarz-Grün ist nicht unser Wunsch, aber eine Option für die Union.» Im Ringen um die Kanzlerkandidatur 2021 schlug sich Schäuble auf die Seite des damaligen CDU-Chefs Armin Laschet und stellte sich gegen CSU-Chef Markus Söder. Laschet verlor die Wahl gegen Olaf Scholz (SPD).

Würdigungen von Scholz, Steinmeier und Bas

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Bundeskanzler Olaf Scholz:

«Mit dem Tod von Wolfgang Schäuble geht eine beeindruckende und sehr lange Politiker-Karriere zu Ende.

Sein Intellekt, seine Freude an der demokratischen Auseinandersetzung, sein konservatives Weltbild und seine rhetorische Schärfe zeichneten ihn in all dieser Zeit ganz besonders aus. Deutschland verliert einen prägenden Christdemokraten, der gerne stritt und dabei doch nie aus dem Blick verlor, worum es geht in der Politik: Das Leben der Bürgerinnen und Bürger besser zu machen.»

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier:

«Mit Wolfgang Schäuble haben wir einen grossartigen Menschen und leidenschaftlichen Politiker verloren, der Historisches für unser Land erreicht hat.

Er war visionär und verlor nie das Wesentliche aus dem Blick. Das Ziel der Einheit unseres Landes verfolgte Wolfgang Schäuble ebenso beharrlich wie das Zusammenwachsen Europas. Wolfgang Schäuble war ein Glücksfall für die deutsche Geschichte.»

Bundestagspräsidentin Bärbel Bas:

«Mit Wolfgang Schäuble verliert unser Land eine aussergewöhnliche Persönlichkeit. Ihr Mann war ein Ausnahmepolitiker, leidenschaftlicher Parlamentarier und grosser Europäer.

Wolfgang Schäuble hat die deutsche Parlamentsgeschichte geprägt wie kein anderer – 51 Jahre war er ununterbrochen Mitglied des Deutschen Bundestages, immer direkt gewählt. Als Bundestagspräsident hat er in einer herausfordernden Zeit die Abgeordneten stets zum konstruktiven Streit ermutigt – nach seiner persönlichen Devise: ‹Streit ist das Salz der Demokratie›.»

Auch im Privaten spielte bei Schäuble oft die Politik eine Rolle. Schon Vater Karl Schäuble war CDU-Politiker und gehörte dem Badischen Landtag an. Schäubles jüngerer Bruder Thomas war ebenfalls Politiker. 13 Jahre lang war er Landesminister in Baden-Württemberg. 2013 starb er an den Folgen eines Herzinfarkts.

Der CDU-Spitzenpolitiker Thomas Strobl war Schwiegersohn Wolfgang Schäubles, Tochter Christine, die ARD-Programmdirektorin, Strobls Ehefrau. Schäuble hinterlässt insgesamt vier Kinder und seine Ehefrau Ingeborg, mit der er seit 1969 verheiratet war.

Audio
Aus dem Archiv: Wolfgang Schäuble im Interview
aus Echo der Zeit vom 21.06.2021. Bild: Keystone
abspielen. Laufzeit 7 Minuten 23 Sekunden.

SRF 4 News, 23.12.2023, 9:30 Uhr ; 

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