Der frühere Papst Benedikt XVI. streicht in einem neuen Buch die Bedeutung des Zölibats für die katholische Kirche hervor. Und dies zu einem Zeitpunkt, wo Papst Franziskus die Ehelosigkeit für Priester in der stark an Priestermangel leidenden Amazonas-Region überdenkt. Die Einmischung sei beispiellos, sagt Jesuitenpater Bernd Hagenkord, ehemaliger Redaktionsleiter von Radio Vatikan.
SRF News: Was halten Sie davon, dass der frühere Papst Benedikt Stellung zu den Angelegenheiten seines Nachfolgers bezieht?
Bernd Hagenkord: Ich bin überrascht und verwirrt, dass Benedikt das tut. Ein Film des Bayerischen Rundfunks Ende 2019 machte deutlich, dass er körperlich nicht mehr in der Lage ist, ein Buch zu schreiben. Jetzt kommt ein Buch auf den Markt. Zugleich hatte Benedikt versprochen, nur noch zu beten und zu schweigen. Ein Buch herauszugeben beziehungsweise mitzuschreiben, ist dann doch etwas Anderes.
Wieso mischt sich denn der ehemalige Papst ein?
Das Zölibat ist ein heisses Eisen in der katholischen Kirche. Das hat sich in den letzten 50 Jahren nicht geändert. Es ist kein Geheimnis, dass Papst Benedikt XVI. bereits als Kardinal Ratzinger und Präfekt der Glaubenskongregation eine klare Meinung zur Ehelosigkeit von Priestern hatte.
Franziskus überlegt, ob in Amazonien mit seinen riesigen Diözesen und ganz wenigen Priestern das Zölibat aus kulturellen und praktischen Gründen gelockert werden soll. Nun meint der emeritierte Papst zusammen mit Kurienkardinal Robert Sarah als Mitautor, dass sie da einschreiten und sich zu Wort melden müssten. Das ist ein ganz merkwürdiger Vorgang.
Sind das die Gedanken des Ex-Papstes oder der Kardinals?
Aufgrund der bisher veröffentlichten Zitate des Buches ist es schon auch Benedikt. Ich bezweifle zwar, dass er es selber geschrieben hat, weil er körperlich gar nicht mehr dazu fähig ist. Aber die Gedankengänge dahinter sind ganz klar Benedikt. Das muss man ihm zuschreiben.
Ich bezweifle zwar, dass er es selber geschrieben hat, weil er körperlich gar nicht mehr dazu fähig ist.
Ist die Angst vor dieser Lockerung des Ehe-Verbotes in konservativen Kreisen so gross, dass sich Ex-Papst Benedikt einmischt?
Ich weiss nicht, ob das nur konservative Kreise sind. Im Prinzip ist auch Papst Franziskus ein Verfechter des Zölibats. Die Frage ist nur, ob das immer und unter allen Umständen so sein muss. Dahinter steht auch die Frage, was für eine Art von katholischer Kirche wir wollen. Das Zölibat ist eines der wichtigen Symbole. Wenn man diese in meinen Augen sehr überhöhte Form des priesterlichen Lebens zur Diskussion stellt, geht es um die ganze Vorstellung, was Kirche eigentlich sein soll.
Ich halte es also nicht nur für eine konservative Debatte, sondern es stecken ernstzunehmende Sorgen dahinter. Es ist wichtig, dass wir darüber reden. Umso schwieriger finde ich, dass nun – erstmals – ein ehemaliger Papst in eine aktive Debatte eingreift.
Es stecken ernstzunehmende Sorgen dahinter. Umso schwieriger finde ich, dass nun – erstmals – ein ehemaliger Papst in eine aktive Debatte eingreift.
Welche Auswirkungen könnte die Intervention des früheren Papstes auf den Entscheid von Papst Franziskus haben.
Papst Franziskus ist selbst ein Freund des Zölibats, wenn auch nicht immer und unter allen Umständen. Er ist eine sehr starke Persönlichkeit, die sich wohl nicht von Büchern unter Druck setzen lässt. Seit der Synode im vergangenen Oktober hat er Fachleute befragt und ist sehr gut in der Lage, sich eine Meinung zu bilden.
Papst Franziskus selbst ist ein Freund des Zölibats, wenn auch nicht immer und unter allen Umständen.
Das Gespräch führte Joël Hafner.