Einer hat den Schlafsack auf dem Trottoir ausgerollt, um amerikanische Geschichte mitzuerleben. Andere haben jemanden bezahlt, der für 50 Dollar pro Stunde Schlange steht. Im Morgengrauen sind es ein paar Dutzend Bürgerinnen und Bürger, die Donald Trump auf der Anklagebank persönlich sehen wollen.
«Ich will sehen, wie Donald Trump zur Rechenschaft gezogen wird. Ich will sein Gesicht vor Gericht sehen!», sagt Karen Sherman, eine Juristin. Neben ihr die pensionierte Missionarin Barbara Lamp: «Ich hoffe, dass einige Leute seine Unehrlichkeit und Aufgeblasenheit durchschauen.» Zuvorderst in der Schlange steht Michael Powers. Es gibt nur etwa fünf Plätze für die allgemeine Öffentlichkeit. Einige mehr werden in einen Raum mit Videoübertragung gelassen. Der Pensionierte ist bereits am Vortag angestanden und hat jemanden angeheuert, der hier übernachtet hat. «Es ist Geschichte. Das geschieht nicht oft. Das wollte ich sehen», sagt Powers.
Es ist ein Gerichtsprozess wie aus einem Hollywoodfilm. Ein Ex-Präsident, sein früherer Anwalt und Mann für die Schmutzarbeit, eine Ex-Pornodarstellerin. Im Zentrum der Anklage: Donald Trump habe mit Daniels Sex in einem Hotelzimmer gehabt. Michael Cohen habe ihr im Wahlkampf 2016 im Auftrag Trumps Schweigegeld bezahlt, weil die Geschichte ihn die Wahl hätte kosten können. Cohen selbst sass wegen Verstosses gegen Wahlfinanzierungsgesetze eine Gefängnisstrafe ab. Später habe Trump die Buchhaltung fälschen lassen, um die Zahlung zu vertuschen, und damit gegen das Gesetz verstossen. Trump bestreitet sowohl das Treffen wie die juristischen Vorwürfe.
Der Strafprozess gegen Trump in New York ist das Strafverfahren mit dem geringsten Vorwurf gegen ihn. Doch es ist wohl der einzige Strafprozess, der vor den Wahlen vor Gericht verhandelt wird. Der Prozess bietet auch pikante Details: Daniels spricht davon, dass Trump sie im Seidenpyjama im Hotelzimmer erwartet habe, später in Shorts auf dem Bett, und dass sie ihm mit einer zusammengerollten Zeitschrift einen Klaps auf den Allerwertesten gegeben habe.
Mit solchen Details will die Staatsanwaltschaft die Zeugen glaubwürdig machen und damit die Vorwürfe gegen Trump untermauern. Der Prozess geht zügig voran. Doch es gibt einige Klippen.
Doch hat der Prozess Auswirkungen auf die Wahl? Steve Frederick, ein Professor, der ebenfalls in der Schlange vor Gericht steht, glaubt: «Wenn Trump verurteilt wird, werden einige, die ihm die Stimme geben wollten, dies nicht tun.»
Tatsache ist: Trumps Umfragewerte sind seit Beginn des Prozesses stabil. In der Vergangenheit haben ihm Anklagen eher genützt, ihn zum Märtyrer gemacht. Umgekehrt muss er über Wochen hier im Gerichtsgebäude sitzen, statt an Wahlkampfveranstaltungen aufzutreten. Donald Trump nutzt die Bühne vor Gericht immerhin kräftig: «Es ist ein korrupter Richter. Ich muss zurück auf Wahlkampftour. Ich sollte nicht hier sein. Wir sind absolut unschuldig.»
So sehen das auch die vereinzelten Trump-Anhängerinnen und -Anhänger, die sich vor dem Gericht einfinden. Sie hoffen auf den Märtyrer-Effekt. «Donald Trump wird sogar bessere Chancen haben zu gewinnen, wegen dem, was die Demokraten mit diesen betrügerischen Prozessen tun», sagt Dion Cini, der Trump-Flaggen produziert.
So oder so werden die Ereignisse im Gericht für weitere Stunden Nonstop-TV-Berichterstattung und einen Eintrag in den Geschichtsbüchern der USA sorgen.