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Der Exodus der philippinischen Pflegefachkräfte
Aus Echo der Zeit vom 05.12.2023. Bild: REUTERS/Eloisa Lopez
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Exodus der Pflegefachkräfte Wie das Ausland in den Philippinen einen Fachkräftemangel auslöst

Pflegefachkräfte aus den Philippinen sind international begehrt. Sie zieht es oft ins Ausland, weil sie dort bessere Löhne und Rahmenbedingungen vorfinden und es oft die einzige Möglichkeit ist, ihre Familie in der Heimat zu ernähren. In den Philippinen werden sie aber schmerzlich vermisst.

Patientinnen und Besucher drängen sich im Eingangsbereich des Batangas Medical Center. Das öffentliche Spital gehört zu den besten in der Provinz Batangas, rund zwei Stunden Autofahrt von der philippinischen Hauptstadt Manila entfernt.

Auf der allgemeinen Intensivstation unterhält sich Pflegedirektor Mark John Thomas Buquiz mit den Pflegefachkräften. Eine Kollegin hat sich bereits auf eine Stelle in den USA beworben und kürzlich ein Visum erhalten.

Mann Nahaufnahme
Legende: Mark John Thomas Buquiz, der Pflegedirektor des Batangas Medical Center. Er warnt vor den Folgen des Fachkräfte-Exodus, will aber selbst ins Ausland. Martin Aldrovandi

Ständig verliessen vor allem gut ausgebildete und erfahrene Pflegefachkräfte das Spital, erklärt Direktor Buquiz. Und er warnt vor den Folgen: Medikamente würden verspätet abgegeben und auch das Risiko von Fehlern nehme zu, wenn vor allem neue und unerfahrene Pflegerinnen die erfahrenen ersetzten.

Gewerkschaft warnt vor «Pflegekrise»

Die Arbeitsbelastung der verbliebenen Pflegefachkräfte nehme zu, sie müssten häufiger Überstunden machen, die ausserdem nicht bezahlt werden.

Eleanor Nolasco von der Gewerkschaft Filipino Nurses United spricht von einer «Krise». Eigentlich gäbe es im Land genügend ausgebildete Pflegefachkräfte, aber viele wollten wegen der schlechten Bedingungen nicht im gelernten Beruf arbeiten. «Sie riskieren ihre Gesundheit, um Menschen zu helfen, und doch verdienen sie keinen anständigen Lohn.»

Frau mit Schildern
Legende: Eleanor Nolasco von der Gewerkschaft Filipino Nurses United warnt vor einer Pflegekrise. Martin Aldrovandi

Viele wechselten deshalb in andere Branchen oder gingen ins Ausland, wo sie im Pflegeberuf viel mehr verdienten als in den Philippinen, sagt Nolasco.

Stütze für heimische Wirtschaft

Die philippinische Regierung habe durchaus ein Interesse daran, dass so viele Pflegefachfrauen ins Ausland gingen, weil sie ja Geld nach Hause schickten.

Sie sind eine wichtige Stütze für die heimische Wirtschaft. Dazu gehören neben dem Pflegepersonal auch Hausangestellte oder Arbeiter in der Fischerei-Industrie, die einen Teil des Lohnes nach Hause überweisen.

Frau Nahaufnahme
Legende: Die philippinische Pflegefachfrau Karcy Viola arbeitet in Deutschland. Ihr gefällt die Arbeit bei unseren Nachbarn, aber die weite Entfernung zu ihrem Sohn macht ihr zu Schaffen. Martin Aldrovandi

Karcy Viola arbeitet seit sechs Jahren in Deutschland als Pflegefachkraft. Sie schwärmt von den dortigen Arbeitsbedingungen. Die Weiterbildung werde gefördert, als Angestellte könne sie etwa gratis Kurse und Seminare besuchen, für die sie in den Philippinen selbst zahlen müsste. Das wichtigste Argument für die 36-Jährige ist aber das Einkommen. In den Philippinen würde sie nur einen Bruchteil von dem verdienen, was sie in Deutschland bekomme.

Philippinen erfüllen WHO-Empfehlung nicht

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Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt ein Verhältnis von 27 Pflegefachkräften auf 10'000 Einwohner. In den Philippinen sind es jedoch lediglich 16. Laut dem philippinischen Gesundheitsministerium bräuchte das Land 127'000 Pflegefachkräfte, um die WHO-Empfehlung zu erfüllen.

Das hätte für sie als alleinerziehende Mutter nicht ausgereicht, erklärt Karcy Viola. Mit dem deutschen Lohn könne sie im Monat umgerechnet mindestens 500 Franken an ihre Familie überweisen.

«Ich vermisse meine Familie»

Und doch hat das Arbeiten im Ausland nicht nur Vorteile. Am meisten vermisse sie ihre Familie. Karcys dreizehnjähriger Sohn Mikael lebt bei der Grossmutter in Manila. Sie sieht ihn nur einmal im Jahr, wenn sie wie jetzt zu Hause zu Besuch ist.

Auto vor Spital
Legende: Ein Fahrzeug der Ambulanz vor dem Spital in Batangas. Martin Aldrovandi

Die Mutter rufe ihn gewöhnlich zweimal am Tag an, erklärt Mikael. Er erzählt vom Schlaflied, das sie ihm vorsinge – doch plötzlich will er nicht mehr weiterreden und bittet, das Thema zu wechseln. Sonst müsse er gleich weinen. Auch ihr falle das alles sehr schwer, erklärt Karcy Viola. Ihre Entscheidung bereue sie aber nicht. Im Gegenteil, Karcy Viola wirbt auch bei Kolleginnen für Jobs im Ausland – zum Ärger ihrer Mutter.

Diese schimpfe mit ihr und sage, sie solle aufhören für Deutschland zu werben. Bald gebe es keine Pflegefachkräfte mehr in den Philippinen.

Sollen die Empfängerstaaten die Philippinen entschädigen?

Aus der Politik und von Fachleuten gibt es Vorschläge, wonach westliche Industrieländer in die Ausbildung der Pflegefachkräfte in den Philippinen investieren sollen.

Nolasco von der Gewerkschaft sagt, dies geschehe teilweise bereits. Sie ist trotzdem skeptisch. Selbst, wenn die Empfängerstaaten die Ausbildung der Pflegefachkräfte in den Philippinen bezahlten, gingen diese am Ende ins Ausland und fehlten hier.

Spital
Legende: Der Eingang des Batangas Medical Center. Martin Aldrovandi

Pflegedirektor Mark John Thomas Buquiz vom Batangas Medical Center zeigt im Gespräch viel Verständnis für die Kolleginnen und Kollegen, die lieber im Ausland arbeiten wollen. Auch er plant, ins Ausland zu gehen. Buquiz will in den USA arbeiten, derzeit laufe seine Bewerbung als Pflegefachkraft; der Pflegedirektor wartet auf einen Termin auf der amerikanischen Botschaft.

Echo der Zeit, 5.12.2023, 18:00 Uhr

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