Patientinnen und Besucher drängen sich im Eingangsbereich des Batangas Medical Center. Das öffentliche Spital gehört zu den besten in der Provinz Batangas, rund zwei Stunden Autofahrt von der philippinischen Hauptstadt Manila entfernt.
Auf der allgemeinen Intensivstation unterhält sich Pflegedirektor Mark John Thomas Buquiz mit den Pflegefachkräften. Eine Kollegin hat sich bereits auf eine Stelle in den USA beworben und kürzlich ein Visum erhalten.
Ständig verliessen vor allem gut ausgebildete und erfahrene Pflegefachkräfte das Spital, erklärt Direktor Buquiz. Und er warnt vor den Folgen: Medikamente würden verspätet abgegeben und auch das Risiko von Fehlern nehme zu, wenn vor allem neue und unerfahrene Pflegerinnen die erfahrenen ersetzten.
Gewerkschaft warnt vor «Pflegekrise»
Die Arbeitsbelastung der verbliebenen Pflegefachkräfte nehme zu, sie müssten häufiger Überstunden machen, die ausserdem nicht bezahlt werden.
Eleanor Nolasco von der Gewerkschaft Filipino Nurses United spricht von einer «Krise». Eigentlich gäbe es im Land genügend ausgebildete Pflegefachkräfte, aber viele wollten wegen der schlechten Bedingungen nicht im gelernten Beruf arbeiten. «Sie riskieren ihre Gesundheit, um Menschen zu helfen, und doch verdienen sie keinen anständigen Lohn.»
Viele wechselten deshalb in andere Branchen oder gingen ins Ausland, wo sie im Pflegeberuf viel mehr verdienten als in den Philippinen, sagt Nolasco.
Stütze für heimische Wirtschaft
Die philippinische Regierung habe durchaus ein Interesse daran, dass so viele Pflegefachfrauen ins Ausland gingen, weil sie ja Geld nach Hause schickten.
Sie sind eine wichtige Stütze für die heimische Wirtschaft. Dazu gehören neben dem Pflegepersonal auch Hausangestellte oder Arbeiter in der Fischerei-Industrie, die einen Teil des Lohnes nach Hause überweisen.
Karcy Viola arbeitet seit sechs Jahren in Deutschland als Pflegefachkraft. Sie schwärmt von den dortigen Arbeitsbedingungen. Die Weiterbildung werde gefördert, als Angestellte könne sie etwa gratis Kurse und Seminare besuchen, für die sie in den Philippinen selbst zahlen müsste. Das wichtigste Argument für die 36-Jährige ist aber das Einkommen. In den Philippinen würde sie nur einen Bruchteil von dem verdienen, was sie in Deutschland bekomme.
Das hätte für sie als alleinerziehende Mutter nicht ausgereicht, erklärt Karcy Viola. Mit dem deutschen Lohn könne sie im Monat umgerechnet mindestens 500 Franken an ihre Familie überweisen.
«Ich vermisse meine Familie»
Und doch hat das Arbeiten im Ausland nicht nur Vorteile. Am meisten vermisse sie ihre Familie. Karcys dreizehnjähriger Sohn Mikael lebt bei der Grossmutter in Manila. Sie sieht ihn nur einmal im Jahr, wenn sie wie jetzt zu Hause zu Besuch ist.
Die Mutter rufe ihn gewöhnlich zweimal am Tag an, erklärt Mikael. Er erzählt vom Schlaflied, das sie ihm vorsinge – doch plötzlich will er nicht mehr weiterreden und bittet, das Thema zu wechseln. Sonst müsse er gleich weinen. Auch ihr falle das alles sehr schwer, erklärt Karcy Viola. Ihre Entscheidung bereue sie aber nicht. Im Gegenteil, Karcy Viola wirbt auch bei Kolleginnen für Jobs im Ausland – zum Ärger ihrer Mutter.
Diese schimpfe mit ihr und sage, sie solle aufhören für Deutschland zu werben. Bald gebe es keine Pflegefachkräfte mehr in den Philippinen.
Sollen die Empfängerstaaten die Philippinen entschädigen?
Aus der Politik und von Fachleuten gibt es Vorschläge, wonach westliche Industrieländer in die Ausbildung der Pflegefachkräfte in den Philippinen investieren sollen.
Nolasco von der Gewerkschaft sagt, dies geschehe teilweise bereits. Sie ist trotzdem skeptisch. Selbst, wenn die Empfängerstaaten die Ausbildung der Pflegefachkräfte in den Philippinen bezahlten, gingen diese am Ende ins Ausland und fehlten hier.
Pflegedirektor Mark John Thomas Buquiz vom Batangas Medical Center zeigt im Gespräch viel Verständnis für die Kolleginnen und Kollegen, die lieber im Ausland arbeiten wollen. Auch er plant, ins Ausland zu gehen. Buquiz will in den USA arbeiten, derzeit laufe seine Bewerbung als Pflegefachkraft; der Pflegedirektor wartet auf einen Termin auf der amerikanischen Botschaft.