Die Opfer der NSU-Mordserie waren meist Männer mit türkischen Wurzeln. Trotzdem kam über all die Jahre kaum jemand auf die Idee, dass Rassismus das Motiv sein könnte. «Bundesinnenminister Otto Schily sagte, das sei kein terroristischer Anschlag, es sei kriminelles Milieu», erinnerte sich Peter Bach schon vor Jahren. Bach engagiert sich für die Opfer des Anschlags 2004 in der Keupstrasse in Köln.
Weil man von einer kriminellen Tat ausgegangen sei, habe man den Leuten in der Keupstrasse nicht beigestanden. Man habe die Menschen nicht unterstützt und den Opferangehörigen keine Wärme gegeben – sich also schon fast verhalten wie Schily. «Das war ganz schrecklich», so Bach.
Der Rechtsextremismusexperte Matthias Quent gibt Bach Recht. «Die Medien haben rassistische Begriffe wie ‹Dönermorde› reproduziert.» Auch die Zivilgesellschaft und die Wissenschaft hätten das nicht bemerkt. «Es gab eine gesellschaftliche Stimmung, in der Rassismus einfach zur Kenntnis genommen wurde», so Quent. Insofern sei der NSU Komplex nicht nur ein Sicherheitsproblem.
Man spricht jetzt von «Rechtsextremismus»
Auch nach Aufdeckung der Terrogruppe NSU 2011 hat es in Deutschland immer wieder Taten von Rechtsextremen gegeben – etwa beim Olympia-Einkaufszentrum in München, bei der Synagoge in Halle oder beim Mord am Politiker Walter Lübcke.
Immerhin: Es habe sich viel verändert, sagt Quent. Selbst Kanzlerin Angela Merkel und Innenminister Horst Seehofer sprachen etwa im Fall Hanau vor eineinhalb Jahren mit neun Toten von Rechtsextremismus. Das sei nicht immer so gewesen.
Heute versuchen die Behörden sehr genau auf dem Schirm zu haben, welche rechtsterroristische Vereinigung gerade gegründet wird.
Quent beobachtet in Deutschland grundsätzlich eine höhere Achtsamkeit gegenüber Rassismus. «Es gibt eine selbstbewusstere Community und antirassistische Bewegungen, die heute sensibler sind.» Auch die Behörden wie etwa die Bundesanwaltschaft seien viel aufmerksamer als früher und versuchten, «sehr genau auf dem Schirm zu haben, welche rechtsterroristische Vereinigung gerade gegründet wird».
Noch bleibt einiges zu tun
Auch wurde ein gemeinsames Gefahrenabwehrzentrum gegründet, ein Bundeskabinett gegen Rassismus und Rechtsextremismus und auch der Verfassungsschutz schaue inzwischen genauer nach rechts, so Quent.
Trotzdem bleibe noch einiges zu tun: «Die Behörden müssen die Opferperspektive stärker in den Fokus rücken.» So gebe es in anderen Ländern wie den USA eine Gesetzgebung gegen sogenannte Hate Crimes. Das brauche auch Deutschland.
Es sei Aufgabe des Staates, die Betroffenen ernst zu nehmen, so Quent. Und da gebe es in Deutschland noch einiges zu tun.