Es ist nicht weiter erstaunlich, dass im Autoland USA eine Autobahn einer politisch wichtigen Region den Namen gibt: dem Interstate-4-Korridor zum Beispiel. Die I-4 verbindet in der Mitte Floridas die beiden Küsten. Und wer rund 40 Kilometer rechts oder links dieser Strasse wohnt, hat politisch Einfluss. Denn hier werden Präsidenten gekürt. Es ist eine Region mit besonders vielen Wechselwählern in einem der wichtigsten und hart umkämpftesten Bundesstaaten.
Kandidaten, die hier gewinnen, gewinnen oft Florida, und wer Florida gewinnt, landet oft im Weissen Haus. Zweimal wählte der Sunshine State den Republikaner George W. Bush, zweimal den Demokraten Barack Obama und 2016 den Republikaner Donald Trump. Dieser liegt hier in den Umfragen im Moment ziemlich klar hinter Joe Biden, dem designierten Kandidaten der Demokraten.
Trump: Unterstützung seiner Anhänger scheint solid
Weil wir hinter die nackten Zahlen der Umfragen blicken wollten, haben wir im Korridor der I-4 mit vielen Leuten gesprochen. Mit Randy Ross zum Beispiel, dem ehemaligen Chef der Trump-Wahlkampagne aus der Stadt Orlando. Sein bunter Pick-up-Truck, ganz überzogen mit Aufklebern «Trump 2020», fällt sofort auf.
Dass er seinen Hund Trumpy getauft hat, beweist grosse Loyalität. Und auch seine Kollegen, die wir mit ihm an der Talkshow eines konservativen Radiosenders kennenlernen, bringen uns zu diesem Schluss. Keine Krise ist zu gross, keine Corona-Infektionszahl zu hoch und keine Unwahrheit zu falsch, um die Unterstützung für Trump zu überdenken.
Sein Erfolg mit der Wirtschaft, sein Erfolg, Amerika militärisch stark zu machen und die Sicherung der Grenzen. Donald Trump macht die USA zur Nummer 1.
Corona-Todesopfer seien tragisch, doch das Land müsse baldmöglichst zurück zur Normalität. Und Chris Hart, der Moderator der Radiosendung liefert seinen Hörern Argumente für den Präsidenten: «Sein Erfolg mit der Wirtschaft, sein Erfolg, Amerika militärisch stark zu machen und die Sicherung der Grenzen. Donald Trump macht die USA zur Nummer 1. Die Leute sehen diese Resultate.» Sein Tipp: Trump wird Florida «big» gewinnen.
Wechselwähler sind sehr kritisch gegenüber Trump
«Wenn ich Trump noch einmal wählen würde, dann nur wegen der Inhalte, nicht wegen seiner Persönlichkeit.» Das sagt der 39-jährige Andrew Dorsey aus der Stadt Lakeland. Er beschreibt sich als christlich konservativ und mag gar nicht, wie Trump Menschen behandelt.
Deshalb tendiert er im Moment zu Joe Biden. Er sagt, die Republikaner hätten keine Lösung, um die exorbitant hohen Kosten im Gesundheitswesen in den Griff zu bekommen. Und wie viele Wechselwähler stört es Dorsey, dass Präsident Trump in Zeiten der Krise wenig Verantwortung übernehme, wenig Leadership und Empathie zeige. Und dass er das Land in der Black-Lives-Matter Krise spalte statt zu einen.
Joe Biden kann sich mit Menschen verschiedenster Herkunft identifizieren, er kann auch bei Christen punkten, versteht die Waffenliebhaber und er hat die Fähigkeit viele Moderatere zu überzeugen.
Hier glaubt er, könne Biden punkten. «Joe Biden kann sich mit Menschen verschiedenster Herkunft identifizieren, er kann auch bei Christen punkten, versteht die Waffenliebhaber und er hat die Fähigkeit viele Moderatere zu überzeugen.» Sein Tipp: Alles ist möglich.
Nicht alle Linken wählen Biden
Es war bei den Wahlen 2016 ein Handicap für Hillary Clinton: die Tatsache, dass sie nach dem Vorwahlkampf gegen Bernie Sanders, dessen Anhänger nicht besser ins Boot holen konnte. Viele Sanders-Anhänger wählten entweder die Aussenseiterin der Grünen oder gar nicht und einige gar Donald Trump. Dieser Gefahr schient sich Joe Biden bewusst, er versucht konsequent die Reihen zu schliessen.
Doch Progressive wie Lori Bessette aus einem Vorort von Tampa, die Bernie Sanders unterstützten, sind von Biden nicht zu überzeugen. Er sei einfach kein Präsident, habe viele Schwächen man könne ihm nicht trauen sagt sie. Zudem glaubt sie nicht, dass er wirklich grosse Veränderungen bringe bei Themen, die ihr wichtig sind, wie etwa Klimawandel oder Mindestlohn.
Ein Teil von mir möchte, dass Florida wieder demokratisch wählt, ein anderer Teil denkt aber, dass sich mit Biden gar nicht viel verändern würde.
«Ein Teil von mir möchte, dass Florida wieder demokratisch wählt, ein anderer Teil denkt aber, dass sich mit Biden gar nicht viel verändern würde für die Menschen, und so denken hier wohl viele andere auch», sagt sie. Ihr Tipp: Joe Biden hat sehr gute Chance, Florida zu gewinnen.
Sommer-Umfragen machen noch keinen Präsidenten
Es ist eine Floskel, aber es dauert noch lange bis zur Wahl am 3. November. Niemand weiss, wo das Land dann stehen wird, ob die Krise einigermassen überstanden ist oder noch voll wütet. Trump mit grossem Rückstand, das hatten wir, wenn auch in anderer Konstellation, 2016 schon einmal. Und für die historisch Interessierten: 1988 lag der demokratische Kandidat Michael Dukakis im Juli 17 Prozent vor George Bush, um dann im November zu verlieren.
Dazu kommt: Joe Biden muss sich erst noch beweisen in einem Wahlkampf, der bis jetzt kaum stattgefunden hat. Er scheint im Moment von Donald Trumps Unbeliebtheit und dem Wunsch nach einem Wechsel mehr zu profitieren als von der Stärke, welche die Wähler in ihm sehen. Und von einer grossen Begeisterung für Uncle Joe ist wenig zu spüren.
Sommer-Umfragen machen noch keinen November-Präsidenten oder: es wäre falsch Donald Trump jetzt abzuschreiben.