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Rodothea Seralidou: «Bin erschüttert vom Besuch in Moria»
Aus SRF 4 News aktuell vom 24.02.2020. Bild: Keystone
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Flüchtlingslager auf Lesbos «Zwischen den Zelten haben sich Bäche gebildet»

Die Flüchtlingslager auf den griechischen Inseln der Ostägäis sind hoffnungslos überfüllt. Ein Beispiel ist Moria auf Lesbos. Rund 20'000 Menschen harren im und rund um das Lager aus, das ursprünglich für rund 3000 Menschen gedacht war. Die Journalistin Rodothea Seralidou besuchte in den letzten Jahren mehrmals das Flüchtlingslager. Sie war gerade wieder dort und fand noch schlimmere Verhältnisse vor als bei früheren Besuchen.

Rodothea Seralidou

Freie Journalistin

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Die Journalistin berichtet seit 2011 für SRF und ARD aus Griechenland. Sie lebt in Athen.

SRF News: Mit welchen Eindrücken kehren Sie diesmal aus Moria zurück?

Rodothea Seralidou: So voll, wie ich das Lager diesmal vorgefunden habe, war es noch nie: Die Belegung liegt fast siebenmal über der Kapazität. Das hat dazu geführt, dass sich auch das wilde Camp um das Lager herum extrem ausgeweitet hat – ohne Sanitäranlagen, ohne Strom. Die Menschen leben auf engstem Raum in Zelten. Überall liegt Abfall herum.

Camp auf Moria
Legende: Rund um das offizielle Flüchtlingslager Moria hat sich ein improvisiertes Camp gebildet. Reuters

Am letzten Tag meiner Reise hat es stark geregnet. Das Wasser hat alles weggespült, zwischen den Zelten haben sich richtige Bäche gebildet. Man musste aufpassen, dass man nicht im Matsch stecken bleibt. Dass so viele Menschen und so viele Kinder – ein Drittel der Bewohner sind Kinder – unter solchen schlimmen Bedingungen leben müssen, erschüttert mich bei jedem Besuch des Lagers aufs Neue.

Wie gehen die Menschen in Moria damit um?

Sie fühlen sich im Stich gelassen von der griechischen Regierung und von der Europäischen Union. Das haben alle gesagt, mit denen ich gesprochen habe. Und gleichzeitig versuchen viele, das Beste aus der Situation zu machen. Sie ergreifen Eigeninitiative, gerade weil der Staat hier abwesend ist.

Abfall in einem Bach, ein Kind mitten drin.
Legende: Abfall türmt sich im und um das Camp, in dem jeder dritte Bewohner noch ein Kind ist. Reuters

Die griechische Regierung will dieses Lager und auch andere dieses Jahr schliessen und neue, geschlossene Aufnahme- und Abschiebezentren auf den griechischen Inseln bauen. Was steckt hinter diesen Plänen?

Dieses Vorhaben ist im Rahmen der allgemeinen Flüchtlingspolitik der neuen konservativen Regierung zu sehen. Die Flüchtlinge sollen so weit wie möglich von bewohnten Orten weggebracht werden. Der Zutritt soll streng überwacht werden und sie sollen bis zur Bearbeitung des Asylbescheids dort bleiben müssen. Dabei sollen die Lebensbedingungen besser sein als jetzt.

Die Flüchtlinge sollen so weit wie möglich von bewohnten Orten weggebracht werden.

Noch diese Woche sollen die Lagerprojekte ausgeschrieben werden, sodass Unternehmen, die sich am Bau beteiligen wollen, ihre Angebote machen können. Spätestens im Sommer sollen die neuen Lager dann in Betrieb genommen werden. Auf einer Insel, auf Lesbos, ist das neue Aufnahmezentrum schon fast fertig. Das wird voraussichtlich als erstes aufmachen.

Es geht also etwas, aber eine Verbesserung der Zustände im Flüchtlingslager Moria liegt noch in weiter Ferne?

Die Zahlen sprechen für sich. Über 20'000 Migranten leben im Lager, so viele wie noch nie. Das neue geschlossene Lager soll etwa 7000 beherbergen. Abgeschoben werden bisher nur einige Dutzend Migranten im Monat.

Eine Verbesserung der Zustände? Nein. Unter diesen Umständen ist sie nicht zu erwarten.

Und auf dem Festland ist nicht genug Platz in den Flüchtlingslagern, um die Menschen von Moria dahin zu transportieren. Ganz davon abgesehen, dass die Regierung die Migranten grösstenteils auf den Inseln behalten will, weil sie diese – wie sie sagt – laut EU-Türkei-Deal nur dann in die Türkei abschieben kann. All das zeigt, dass es zumindest eine längere Übergangsphase geben wird, in der Moria weiterhin als Lager genutzt wird. Eine Verbesserung der Zustände? Nein. Unter diesen Umständen ist sie nicht zu erwarten.

Das Gespräch führte Christina Scheidegger.

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