Das Wichtigste in Kürze
- Aus Libyen kamen im vergangenen Jahr über 186'000 Migranten und Flüchtlinge in die EU – Rekord unter den Transitländern.
- Deutschland und die EU sind interessiert, die Wege von Menschen nach Libyen zu blockieren, um damit letztlich den Flüchtlingsstrom über das Mittelmeer einzudämmen.
- Nachbarstaaten Libyens versuchen etwa den Einfluss der Türkei, Katars und der Vereinigten Arabischen Emirate zurückzudrängen, die allesamt unterschiedliche Milizengruppen in Libyen unterstützen.
Bislang hat die deutsche Bundeskanzlerin das derzeitige Hauptproblem für die illegale Einwanderung in die EU nur umkreist: Libyen. Von dort kamen im vergangenen Jahr mehr als 186'000 Migranten und Flüchtlinge in die EU – ein Rekord unter den Transitländern.
Kanzlerin in Nordafrika
Aber weil die von der UNO anerkannte Einheitsregierung von Ministerpräsident Fajas Seradsch noch immer ohne wirkliche Macht in einem Marinestützpunkt in Tripolis ausharren muss, ist an einen Besuch in dem vom Bürgerkrieg zerrütteten Land nicht zu denken.
Um bei der Eindämmung der illegalen Migration dennoch voranzukommen, hat Angela Merkel am Donnerstag und Freitag Ägypten und Tunesien besucht und bereits im Oktober den südlichen Nachbarn Niger. Hinter dieser Strategie, welche die deutsche Regierung zusammen mit der EU verfolgt, steht die Ansicht, dass nur Staaten mit funktionierenden Regierungen erfolgreich gegen Schleuser und Schlepper vorgehen können.
Wege nach Libyen blockieren
In Libyen dagegen konkurrieren viele unterschiedliche Milizen um Einfluss – einige verdienen auch noch gut am Menschenschmuggel. Immerhin sollen sich nach Einschätzung von Flüchtlingsorganisationen mehrere Hunderttausende afrikanische Migranten schon in dem Land aufhalten. Sie werden nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) auch sehr schlecht behandelt.
Nun versuchen die EU und Merkel, zunächst die Wege der Menschen nach Libyen zu blockieren. Deshalb hat Deutschland zusammen mit Frankreich und Italien mit den afrikanischen Transitstaaten Mali und Niger Abkommen geschlossen, damit diese Afrikaner abhalten, nach Norden zu streben.
Merkel in Ägypten und Tunesien
In Kairo und Tunis hat Merkel in den letzten Tagen versucht, auch die lange West- und Ostgrenze Libyens besser abzuschotten. Nun soll mit deutscher Hilfe die tausende Kilometer lange Grenze besser kontrolliert werden, damit Migranten etwa aus dem Nahen Osten oder Eritrea sich nicht von dort aus nach Europa aufmachen.
Die ägyptische Regierung geht bereits seit Ende September gegen Schlepper vor, die Menschen in Booten von der ägyptischen Küste aus nach Italien schicken wollen. An einem besseren Grenzschutz sind beide Seiten interessiert, weil aus Libyen immer wieder islamistische Kommandos in die Nachbarländer einsickern.
Nachbarstaaten kümmern sich um Libyen
Daneben rücken aber immer stärker auch die Bemühungen der nordafrikanischen Staaten Algerien, Tunesien und Ägypten in den Mittelpunkt, um eine politische Lösung für Libyen zu finden. Lange drohte, dass sich dort wie in Syrien eher ein internationaler Stellvertreterkrieg entwickelt. Nun versuchen die Nachbarstaaten etwa den Einfluss der Türkei, Katars und der Vereinigten Arabischen Emirate zurückzudrängen, die allesamt unterschiedliche Milizengruppen unterstützen.
Seit den eigenen Erfolgen in Syrien versucht nun auch Russland in Libyen verstärkt Fuss zu fassen – und protegiert ausgerechnet den Rebellenführer Chalifa Haftar im Osten des Landes. Dieser wiederum ist Hauptgegenspieler von Ministerpräsident Seradsch. Merkel lobte deshalb diese regionalen Eindämmungsversuche der Krise sowohl in Kairo als auch in Tunis.
Nordafrika fordert Geld als Gegenleistung
Allerdings bedeutet die Unterstützung aus Nordafrika auch, dass die EU Milliarden an ihrer Südflanke investieren muss. Denn wie im Falle der Türkei müssen beide Seiten etwas von einem Deal haben. Für die EU-Vertreter geht es darum, die Zahl illegaler Migranten angesichts der rechtspopulistischen Parteien in vielen Mitgliedstaaten nach unten zu bringen – dies gilt gerade auch für Merkel im Jahr der Bundestagswahl.
Die EU brauche zudem wirtschaftliche und politische Stabilität am Südrand der Union, hatten Merkel und auch EU-Aussenbeauftragte Federica Mogherini gemahnt. Auch deshalb entdeckt die EU derzeit Afrika neu, der Kontinent wird auch Schwerpunkt der deutschen G20-Präsidentschaft. Und nur, wenn nach der Balkanroute auch die Mittelmeerroute weitgehend geschlossen wird, werden sich die osteuropäischen EU-Partner auf ein Verteilsystem innerhalb der Union einlassen.
500 Millionen Euro für Kairo, 250 für Tunis
Eine starke Position im Rücken fordern Ägypten und Tunesien ganz offen mehr Geld und Hilfe. Nicht ohne Grund betonte der tunesische Präsident Beji Caid Essebsi am Freitag, wie wichtig das Migrationsthema für Deutschland und die EU sei.
Das war nach Einschätzung von Diplomaten auch ein Wink mit dem Zaunpfahl: Die reichen nördlichen Nachbarn müssen sich stärker in den mit einem raschen Bevölkerungswachstum und Islamisten kämpfenden nordafrikanischen Staaten engagieren. Merkel versprach in Ägypten 500 Millionen Euro an Krediten, in Tunesien 250 Millionen Euro an Entwicklungshilfe in diesem Jahr.