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Flügelkampf innerhalb der AfD Journalistin: «Meuthen ist AfD-Chef, aber es sind zwei Parteien»

Die grösste Oppositionspartei Deutschlands, die rechtspopulistische AfD, steht vor einer Zerreissprobe. So attackierte AfD-Chef Jörg Meuthen auf dem Parteitag letztes Wochenende offen den rechten Rand seiner eigenen Partei:

Die Journalistin Claudia Kade von der Tageszeitung «Die Welt» glaubt aber nicht an eine Spaltung – insbesondere nicht im kommenden Wahljahr.

Claudia Kade

Ressortleiterin Politik bei der «Welt»

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Claudia Kade ist seit 2017 als Ressortleiterin Politik bei der deutschen Tageszeitung «Die Welt» tätig. Sie ist regelmässig Gast in Talkshows.

SRF News: Parteichef Jörg Meuthen forderte Einigkeit. Klappt das?

Claudia Kade: Nein. Meuthen hat die Provokation gewagt und ist damit gescheitert. Seine klaren Worte am Parteitag richteten sich nicht nur gegen den rechten Flügel seiner Partei, sondern gegen den Fraktionsvorsitzenden Alexander Gauland. Dieser ist eine Galionsfigur in der Partei und hatte die Bundesregierung zuletzt mit den Nationalsozialisten verglichen.

Hat Meuthen keinen Rückhalt in der Partei?

Für seine Rede erhielt er ungefähr von einem Drittel der Delegierten Applaus. Am Folgetag wurde die Rede dann zwei Stunden lang in schärfster Form zerpflückt von den zwei Dritteln, die nicht applaudiert haben. Da merkte man: Eigentlich ist Meuthen Parteichef, aber es sind zwei Parteien.

Die Gefahr, dass irgendwann die Gesamtpartei vom Verfassungsschutz beobachtet wird, wächst.

Die Frage ist, wie lange er sich noch halten kann, und wie die Partei es schaffen kann, im Superwahljahr zusammenzubleiben. Denn nächstes Jahr wird nicht nur der Bundestag neu gewählt, sondern auch in den Bundesländern.

Gegen den Rechtsaussen-Flügel steht der Vorwurf des Rechtsextremismus im Raum. Ist das der stärkere AfD-Flügel?

Er ist zumindest nicht kleinzukriegen. In diesem Jahr gab es mehrere erfolgreiche Versuche, Rechtsaussen-Politiker aus der Partei zu drängen. Allerdings: Die, die nachrückten, waren aus dem gleichen Holz geschnitzt.

Das heisst, wenn es der Parteiführung um Meuthen gelingt, den einen oder anderen loszuwerden, hat das meist zur Folge, dass ähnlich ausgerichtete Parteifreunde nachrücken. Also der Versuch, die Partei von Rechtsnationalen zu befreien, scheitert immer wieder. Deshalb wächst auch die Gefahr, dass irgendwann die Gesamtpartei vom Verfassungsschutz beobachtet wird.

Meuthen sagte, dass die Idee, ein bürgerliches wie auch ein Rechtsaussen-Lager anzusprechen, gescheitert ist. Was heisst das?

Die AfD wollte möglichst breit aufgestellt sein, um möglichst vielen Wählerinnen und Wählern eine politische Heimat sein zu können. Also angefangen bei denen, die einfach mehr Wirtschaftsliberalität haben wollten, die vielleicht mit der Migrationspolitik ein Problem haben, bis hin zu Rechtsaussen. Damit war die AfD eigentlich immer ganz erfolgreich.

Alice Weidel hat in diesem ganzen Streit überhaupt nichts gesagt.

Jetzt sieht man, dass dieses Band nicht mehr hält. Die Umfragewerte sind schlecht, und plötzlich brechen diese Konflikte noch schärfer auf als vorher. Und wie man da wieder herauskommt, ist den meisten in der AfD nicht klar.

Geht die AfD zugrunde oder droht ihr eine Spaltung?

Eine Spaltung halte ich für unwahrscheinlich, weil die Erfolgsaussichten für beide Teile, die dann übrig bleiben, nicht besonders gross sein dürften.

Ich denke, es geht darum, eine Figur zu finden. Es wird nicht Meuthen sein, der die beiden Flügel im Wahljahr zusammenhält. Entscheidend wird sein, für wen sich die AfD als Spitzenkandidaten entscheidet. Und da finde ich es sehr interessant, den Blick auf Alice Weidel zu werfen, die Fraktionschefin im Bundestag. Sie hat in diesem ganzen Streit überhaupt nichts gesagt. Sie könnte sich also noch in alle Richtungen eine Anhängerschaft verschaffen.

Das Gespräch führte Isabelle Maissen.

SRF 4 News, 03.12.2020, 07:15 Uhr ; 

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