An Schadstoffen sterben weltweit mehr Menschen als aufgrund von Kriegen oder Krankheiten. Zu diesem Schluss kommt eine neuartige Studie, die in der medizinischen Fachzeitschrift «The Lancet» veröffentlicht worden ist.
Im Vergleich zu Kriegen und Terroranschlägen ist der Tod wegen Schadstoffen weniger spektakulär. Daher geht er viel leichter vergessen.
Der Bericht ist der erste Versuch, umfassende Daten zu Todesfällen durch Umweltverschmutzungen weltweit zusammenzutragen. 40 Forscher aus aller Welt waren daran beteiligt.
Aufruf zum Handeln
Ihre Erkenntnisse sind zwar nicht wirklich bahnbrechend, wie SRF-Wissenschaftsredaktor Christian von Burg sagt. Wissenschaftlern, die sich mit dem Thema auseinandersetzten, seien sie schon länger bekannt. «Aber wer an Schadstoffen stirbt, stirbt einen leisen Tod», sagt er.
Der Bericht ruft den leisen Tod nun in Erinnerung und lenkt die Aufmerksamkeit insbesondere auf die Folgen der Umweltverschmutzung in ärmeren Ländern. «Und darin liegt das Verdienst der Studie», sagt von Burg.
Die wichtigsten Erkenntnisse des Berichts
- Für das Jahr 2015 zählten die Forscher etwa neun Millionen Todesfälle wegen Schadstoffen in der Luft, im Wasser oder im Boden.
- Die wichtigsten Todesursachen waren dabei Herzerkrankungen, Schlaganfälle und Lungenkrebs.
- Fast alle der Todesfälle seien in armen oder aufstrebenden Ländern zu verzeichnen. Neun von zehn Menschen dort sterben vorzeitig wegen Umweltverschmutzung.
- Besonders betroffen sind laut der Studie Länder mit rasantem Industriewachstum wie Indien, Pakistan, China und Bangladesch.
Doch nicht nur in den rasant wachsenden Schwellenländer belasten Schadstoffe die Bevölkerung. Auch das einfache Kochen auf offenem Feuer, das in Entwicklungsländern gebräuchlich sei, schade der Gesundheit weitaus stärker als lange angenommen, sagt von Burg.
«Gerade die Kinder, die oft bei den Müttern in den rauchigen Küchen sitzen, tragen grossen Schaden davon und sterben so viel zu früh».
Westen hat Problem ausgelagert
In der Schweiz hingegen ist die Situation in den letzten Jahrzehnten deutlich besser geworden: Unsere Luft ist so sauber, wie schon lange nicht mehr und wir können wieder in unseren Flüssen baden. Auch ist es seit dem Schweizerhalle-Brand vor 30 Jahren nie mehr zu einem Chemieunfall gekommen.
Von Burg führt das zum einen auf strengeren Regeln im Umgang mit gefährlichen Stoffen zurück. Zum anderen aber hätten wir fast alle gefährlichen Produktionen in die Schwellenländer ausgelagert, wo die Kontrollen oft lascher seien.
Umweltverschmutzung hat mehr Todesfälle zur Folge als Aids, Tuberkulose und Malaria zusammen.
Wie liessen sich die Todesfälle durch Umweltverschmutzung vermeiden? «Viel davon, was wir im Westen in den letzten Jahrzehnten gemacht haben, kann man auch in den Entwicklungsländern machen: Strengere Regeln, Abgasvorschriften, Kläranlagen, Elektrokochherde statt offene Feuer», so von Burg.
Aufklärung an erster Stelle
Die Autoren der Studie empfehlen den Industriestaaten, die Entwicklungsländer beim Umweltschutz intensiver zu beraten, ihnen technisches Know-How zur Verfügung zu stellen – aber auch mehr Geld dafür aufzuwenden.
An erster und wichtigster Stelle aber stehe dies: «Sich bewusst zu werden, dass Umweltverschmutzung mehr Todesfälle zur Folge hat als Aids, Tuberkulose und Malaria zusammen – denn das wissen die wenigsten.»