Für die Regierung in Oslo gab es am Ende keinen anderen Weg mehr. Mehr als zwei Jahre nach Beginn von Russlands Invasion im Nachbarland Ukraine hat mit Norwegen auch der letzte westliche Nachbar die Grenzen mehr oder weniger dichtgemacht.
Die entsprechende Ankündigung machte die norwegische Justizministerin Emilie Mehl an einer Medienkonferenz in Oslo: «Dies ist ein deutliches und wichtiges Zeichen an die Adresse Russlands und eine Reaktion auf Moskaus Kriegsführung. Das hat auch Folgen für russische Bürgerinnen und Bürger.»
Konkret bedeutet dies, dass am einzigen norwegisch-russischen Grenzposten in Storskog ausserhalb der Hafenstadt Kirkenes die Schlagbäume künftig nur noch in wenigen Ausnahmesituationen geöffnet werden. Bisher war es Russinnen und Russen, die im unmittelbaren Grenzgebiet leben oder ein Touristenvisum besitzen, weiterhin möglich, nach Norwegen und damit in den Schengenraum einzureisen.
In Kirkenes, einer Gemeinde mit einer Bevölkerung von knapp zehntausend Menschen, leben mehrere tausend Russinnen und Russen. Im Lokalradio begrüsst die aus Russland geflüchtete Journalistin Olesia Krivtsova die neue Massnahme. Aber auch sie sieht ein Problem: «Jetzt wird es für Oppositionelle in Russland noch schwieriger, das Land zu verlassen», sagt Krivtsova, die heute für die unabhängige Onlinezeitung Barents Observer arbeitet.
Grenze mit besonderer Geschichte
Norwegen ist das einzige europäische Nachbarland, mit dem Russland nie einen Krieg führte. Im Gegenteil: Am Ende des Zweiten Weltkrieges waren es sowjetische Truppen, welche Nordostnorwegen – die Provinz Finnmark – von der deutschen Besetzung befreiten und sich gleich wieder zurückzogen. Vor Ort entwickelte sich deshalb schon zu Sowjetzeiten ein gut nachbarschaftliches Verhältnis an der einzigen Nato-Aussengrenze zur östlichen Supermacht.
Noch vor wenigen Jahren überquerten täglich Tausende die Grenze bei Kirkenes. Damit ist jetzt aber Schluss. Der frühere Polizeichef von Kirkenes, Frode Berg, bezeichnet die Grenzschliessung im norwegischen Fernsehsender NRK als überfällig: «Russland ist zu einem gefährlichen Nachbarn geworden, dem in keinster Weise vertraut werden kann», sagt Berg, der bei einem Besuch in Moskau vor sieben Jahren unter Spionageverdacht verhaftet worden war und erst 2019 wieder freikam. Berg fordert nun auch eine Schliessung des Hafens von Kirkenes für russische Fischerboote.
Seegrenze bleibt offen
Im Unterschied zum Landverkehr ist die lange Seegrenze zwischen Norwegen und Russland, die im Barentsmeer bis hinauf zum Nordpol reicht, im Rahmen eines bilateralen Fischereiabkommens weiterhin offen. Seit Jahrzehnten arbeiten die beiden Staaten bei der Nutzung der reichen Fischvorkommen zusammen. Vor wenigen Jahren kam es gar zu einer Einigung zwischen Oslo und Moskau über ein neues, auf sechs Jahre befristetes Abkommen, das es unter anderem russischen Fischern erlaubt, auch in norwegischen Häfen anzulegen.
Nun könnte aber Russland als Reaktion auf die Schliessung der letzten Landgrenze nach Europa diese letzte Brücke abreissen. Nach dem langen Tauwetter zwischen Ost und West an der Barentssee hat die geopolitische Eiszeit inzwischen auch Europas Nordrand erreicht.