Der Schweizer Jurist Nils Melzer ist alarmiert von Berichten über brutale Verhörmethoden in der Türkei. Er habe Berichte über Schläge, Elektroschocks, Eintauchen in Eiswasser, Schlafentzug, Beleidigungen und sexuelle Übergriffe erhalten, sagt der UNO-Sonderberichterstatter für Folter. Es habe schon früher ähnliche Beschwerden aus der Türkei gegeben. «Doch sie haben in letzter Zeit drastisch zugenommen.»
Geständnisse erpressen
Ziel der brutalen Verhörmethoden sei es gemäss den Berichten, die Opfer zu Geständnissen zu bringen oder dass sie andere Menschen anschwärzen. Die nach dem Putschversuch vom Sommer 2016 Verhafteten seien nun schon längere Zeit im Gefängnis. Es gehe jetzt darum, sie entweder anzuklagen oder freizulassen, so der UNO-Sonderberichterstatter. Der Druck auf die Ermittler steigt also, ihre Anschuldigungen mittels Geständnissen untermauern zu können.
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Gemäss den bei ihm eingegangenen Beschwerden seien «eine grosse Zahl» von Anhängern der Gülen-Bewegung betroffen. Bekanntlich wurden nach dem Putschversuch im Sommer 2016 zehntausende Beamte, Lehrer und andere Personen verhaftet, denen eine Beteiligung am Umsturzversuch vorgeworfen wird. Von Misshandlungen betroffen seien aber auch verhaftete Mitglieder der kurdischen Arbeiterpartei PKK, so Melzer.
Eingeschüchterte Beamte
Laut den Beschwerden hätten türkische Staatsanwälte Vorwürfe von Folter unter Hinweis auf den Ausnahmezustand nicht untersucht, so Melzer weiter. Der UNO-Sonderberichterstatter vermutet, dass sich angesichts der Massenentlassungen innerhalb der Behörden Angst breit gemacht habe, sich gegen die Regierung zu stellen.
Staatsanwälte untersuchen Foltervorwürfe nicht, um nicht selber in Verdacht zu geraten.
«Das heisst, dass man Foltervorwürfe gegenüber Sicherheitskräften lieber nicht untersucht, weil man dann als regierungsfeindlich eingeschätzt werden könnte.» Melzer betont weiter, es dürfe niemand gefoltert oder misshandelt werden, auch nicht in Ausnahmesituationen.
Die türkische Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdogan macht die Gülen-Bewegung für den Putschversuch 2016 verantwortlich. Die kurdische Organisation PKK wird in der Türkei, der EU und den USA als Terrororganisation eingestuft, in der Schweiz aber nicht.