- Frankreichs Parlament hat die Beratung des Gesetzes begonnen, mit dem die Regierung den politischen Islam besser kontrollieren will.
- Angekündigt als Gesetz gegen den islamistischen Separatismus, heisst es nun «Gesetz zur Verstärkung der Prinzipien der Republik».
- Es geht um das Prinzip der Trennung von Kirche und Staat. Doch genau hier liegt das Problem, wie bereits der Auftakt der Debatte zeigt.
Der Staat ist gegenüber der Religion neutral, heisst der Grundsatz. Doch genau dies ist das neue Gesetz nicht. Der Begriff Islam wird zwar nie genannt, aber das Thema steht übergross im Raum. Auch Innenminister Gerald Darmanin kommt schnell zur Sache: Die Abschottung islamistischer Sondergesellschaften bedrohe die Einheit Frankreichs.
Eingriffe in das öffentliche Leben
Das neue Gesetz greift in viele Bereiche des öffentlichen Lebens ein. Künftig sollen alle Kinder eine öffentlich anerkannte Schule besuchen müssen, der private Unterricht wird weitgehend abgeschafft. Staatsangestellte sollen sich zur religiösen Neutralität bekennen müssen. Soziale und kulturelle Organisationen will der Staat stärker auf ihren religiösen Hintergrund untersuchen und einfacher verbieten können.
Der Gesetzestext trifft alle gleich, ganz unabhängig von der Konfession. Das heisst, auch christliche oder jüdische Organisationen müssten sich künftig vom Staat prüfen lassen. Neutral formuliert ist auch eine Charta, auf die sich künftig alle Organisationen verpflichten sollen, wenn sie vom Staat Subventionen beziehen wollen. Dabei geht es zum Beispiel auch um gleiche Rechte für Mann und Frau.
Für Bürgerschaftsministerin Marlène Schiappa eine Selbstverständlichkeit. Die Details sind allerdings auf kontroverse Themen im Islam zugeschnitten, zum Beispiel das islamische Erbrecht, das Männer gegenüber Frauen bevorzugt. Andere Grundsätze stehen bereits im französischen Gesetz, so etwa das Verbot für Polygamie.
«Überflüssiges und gefährliches Gesetz»
Das Gesetz sei überflüssig, begründet Jean-Luc Mélenchon, Chef der linken «La France Insoumise» und gefährlich, weil es die rund 8 bis 10 Prozent Muslime zur Zielscheibe mache und so ein Einfallstor öffne, die Einheit Frankreichs zu gefährden. Mit seinem Antrag, das Gesetz vollständig zurückzuweisen, blieb Mélenchons Partei allein. Das heisst freilich nicht, dass es im Rest der Opposition unbestritten ist.
Für den Zentristen Charles de Courson gibt es eigentlich nur eine Frage: Schafft das Gesetz eine Grundlage für den Kampf gegen den islamistischen Terrorismus? Seine Antwort, kurz und bündig: Das Projekt gebe sich zwar ambitiös als Verbesserung der Laizismus-Gesetze, enthalte aber viele überflüssige Bestimmungen, sei schwer anzuwenden, also vor allem politischer Schall und Rauch.
Rechte wollen Kopftuchverbot in Gesetz verankern
Den rechten Republikanern dagegen geht das Gesetz viel zu wenig weit. Sie wollen noch Themen einbringen, die sie im Gesetz vermissen, etwa Immigration, die islamistische Radikalisierung in den Gefängnissen und vor allem das Kopftuch, das ein sichtbares Zeichen des Widerstands gegen die religiöse Neutralität der Republik sei.
Die Debatte um eine Aktualisierung der französischen Laizismus-Gesetze und um die Neutralität des Staates gegenüber der Religion dürfte zu einer breiten Islamdebatte werden, was die Regierung eigentlich verhindern wollte.