Der französische Präsident Emmanuel Macron hat am Donnerstag in Ruanda der Opfer des Völkermords von 1994 gedacht und einen Kranz niedergelegt. Ein schwieriger Gang für den Präsidenten, denn Runda wirft Frankreich eine Mitschuld vor, weil Paris die Armee des damaligen Hutu-Präsidenten jahrelang ausgebildet und ausgerüstet habe.
Entschuldigt hat sich Macron in seiner Ansprache in der Gisozi-Gedenkstätte in der Hauptstadt Kigali nicht. Er räumte aber ein, dass Frankreich am Völkermord eine Mitverantwortung trage, weil Frankreichs damalige Regierung alle Warnzeichen ignoriert und habe. Damit sei das Schlimmste möglich geworden, was man eigentlich habe verhindern wollen.
Mitverantwortung – nicht Mitschuld
Mit der Formulierung der Mitverantwortung übernahm Macron die Formulierung einer Historikerkommission unter dem Vorsitz von Vincent Duclert, wie Frankreich-Korrespondent Daniel Voll erklärt. Deren Bericht ortet die Verantwortung vor allem beim damaligen Präsidenten François Mitterrand, der eben die Warnzeichen nicht zur Kenntnis genommen habe.
Mitterrand habe zu seinem ruandischen Amtskollegen Juvénal Habyarimana eine persönliche Beziehung gepflegt und eben nicht erkannt, dass dessen Hutu-Regime einen Völkermord gegen die Tutsi vorbereitete. Die Spannungen waren auch geprägt von Aversionen gegen die englischsprachigen Tutsi aus Uganda unter dem Kommando des heutigen ruandischen Präsidenten Paul Kagame.
Ein Balanceakt
Mit einer Anerkennung von Mitverantwortung gehe Macron wohl zu wenig weit, denn für viele Ruanderinnen und Ruander sei dies keine Entschuldigung, schätzt Voll. Allerdings drückte Macron in einem Schlüsselsatz der Rede auch die Hoffnung aus, dass die Opfer des Völkermordes Frankreich vergeben könnten. «Für Macron war es ein Balanceakt zwischen den Erwartungen in Ruanda und dem französischen Publikum», so Voll.
Heute haben in Ruanda die Tutsi unter Präsident Kagame das Sagen, also die ehemaligen Opfer des Völkermordes. Frankreich ist schon seit einigen Monaten daran, das Verhältnis zu verbessern und auch der Expertenbericht sowie Macrons Reise sind Teil dieser Bestrebungen für eine Wiederannäherung.
Kaum Kritik an Ruandas Regime
Interesse an einer Normalisierung hat auch Ruanda, wie Präsident Kagame vor zehn Tagen an einer Konferenz in Paris demonstrierte. So sagte er unter anderem, Frankreich müsse selbst entscheiden, ob es sich entschuldigen wolle.
Präsident Kagame regiert Ruanda autoritär, unterdrückt die Opposition und gewährleistet die Pressefreiheit nicht. Mit Kritik an dieser Entwicklung hält sich Paris aber zurück oder tut dies nur sehr subtil. Etwa indem Macron in seinem Aufruf an die ruandische Jugend darlege, dass sie eine grosse Aufgabe vor sich habe. Vor moralischen Urteilen hüte sich Macron. «Sein Interesse gilt vor allem der Stabilität, und diese Stabilität bietet ihm Kagame ziemlich klar», erklärt Voll.