Männer, die kämpfen; Frauen, die flüchten – zwei Bilder, welche auch den Ukraine-Krieg prägen. Die Rollen sind aber nicht so stereotyp, wie sie scheinen. Die Geschlechterfrage spielt eine wichtige Rolle in diesem Krieg.
Denn der russische Präsident Wladimir Putin verunglimpft die ukrainischen Männer, das Land und den gesamten Westen nicht zufällig immer wieder als schwache Frau und verweiblicht seine Gegner. Dies hat die Politologin und Friedensforscherin Leandra Bias untersucht.
Frauen fehlen oft in der Forschung
Leandra Bias hat einen sperrigen Forschungsschwerpunkt: Feminismus und Autoritarismus im ehemaligen sowjetischen Osteuropa. «Oft werden Frauen bei der Forschung ausgeblendet, weil man das Gefühl hat, das kann in einem zweiten oder dritten Schritt kommen. Und das ist entsprechend gefährlich, wenn man sich nicht überlegt, warum gewisse Staaten sich so entwickeln oder verhalten», sagt die Friedensforscherin.
Sie weiss, dass die Rollenteilung in diesem Krieg wieder sehr klar erscheint. Männer müssen kämpfen, Frauen flüchten oder versuchen, sich vor Gewalt zu schützen. Doch dies sei nicht das ganze Bild: «Frauen sind auch an der Front, Frauen nähen Uniformen. Sie haben Handlungsspielraum und nehmen diesen wahr.»
Frauen sind auch an der Front, nähen Uniformen. Sie haben Handlungsspielraum und nehmen diesen wahr.
Ukrainische Soldatinnen kämpfen an der Front, es sind deutlich mehr als vor dem Krieg. Auch ihr Ansehen hat sich geändert: «Neu dürfen Frauen alle Positionen in der Armee einnehmen. Vor allem aber wurden Frauen früher dafür kritisiert, dass sie ins Militär gehen, nun aber werden sie dafür gelobt und verehrt.»
Herabsetzung der Frau – ein Instrument im Krieg
Der Aggressor des Krieges, Wladimir Putin, gibt sich gerne als der starke Mann. Seit 15 Jahren posiert er mit nacktem Oberkörper vor Kameras, wenn er auf die Jagd geht oder mit dem Pferd ausreitet. Diese Bilder hätten einen Zusammenhang mit dem Krieg gegen die Ukraine, sagt Leandra Bias.
Indem er die Ukraine, die ukrainischen Männer, und allgemein den Westen, verweiblicht, als schwach darstellt, legitimiere er sein Verhalten, alles zu dominieren. Die Herabsetzung und Entrechtung von Frauen sei ein zentrales Element in diesem Krieg, kein Nebenaspekt, ist Bias überzeugt.
Deshalb müssten in den Friedensprozess künftig unbedingt auch Frauen einbezogen werden. Die UNO hat in einer Resolution bereits vor 20 Jahren die Wichtigkeit erkannt, dass sich Frauen an den Verhandlungen beteiligen. Doch in den bisherigen Gesprächen fehlten diese weitgehend.
Schwer verständlich, auch für Bias: «Die Frauen sind in einem Überlebenskampf, aber es gibt diese Frauen, in wichtigen Entscheidungsfunktionen. Beispielsweise die Generalstaatsanwältin.»
Für die nächsten Verhandlungen, und da sieht Bias auch Länder wie die Schweiz in der Pflicht, die Treffen wie die Lugano-Konferenz organisierten, sei wichtig, dass viel mehr Frauen eingeladen werden. Denn was wissenschaftlich erwiesen ist: «Friedensabkommen halten länger und sind breiter abgestützt, wenn Frauen mitverhandeln.»