Europa rüstet auf. Der russische Überfall auf die Ukraine sorgt auf dem ganzen Kontinent für ein Umdenken. Gerade auch hoch im Norden: Schweden und Finnland haben sich der Nato angeschlossen. Und auch in Dänemark, das zu den Gründungsmitgliedern des westlichen Militärbündnisses gehört, hat die Wehrfähigkeit derzeit höchste Priorität.
Das skandinavische Land will im kommenden Jahr das Ausgabenziel für alle Nato-Mitglieder erreichen, wie die dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen mitteilte. Künftig sollen 2.4 Prozent des dänischen Bruttoinlandsprodukts in die Verteidigung fliessen.
Gleichstellung bei der Wehrpflicht
Die Sozialdemokratin kündigte zudem weitere Pläne an, die aufhorchen lassen: Der bislang freiwillige Militärdienst für Frauen soll obligatorisch werden. Zudem soll die Wehrpflicht von vier auf elf Monate verlängert werden. «Wir bewaffnen uns, um einen Krieg zu vermeiden», erklärte Frederiksen an der Medienkonferenz.
Das nordische Königreich will aus zwei Gründen vermehrt Frauen rekrutieren: Zum einen braucht die Armee in den kommenden Jahren schlicht mehr Personal. Zum anderen könne eine solche Reform in der heutigen Zeit nicht mehr geschlechterspezifisch ausgerichtet werden, betonte die Regierungschefin. Es sollten die gleichen Regeln für alle gelten.
Frederiksen wird Interesse am Amt als Nato-Generalsekretärin nachgesagt. Der Posten gilt als prestigeträchtig und ist angesichts der aktuellen Weltlage so wichtig wie seit langem nicht mehr. Will sich Frederiksen mit ihrer forschen Verteidigungspolitik in die Poleposition bringen?
Eine zentrale Rolle spielten solche Überlegungen nicht, schätzt SRF-Nordeuropa-Korrespondent Bruno Kaufmann. «Denn es gibt noch ein anderes offenes Geheimnis: Letzten Sommer war Frederiksen in den USA und bewarb sich dort quasi für das Amt der Nato-Generalsekretärin. Damals kam die Gleichberechtigungsrhetorik aber bei konservativen Kreisen der US-Politik nicht gut an.»
Als Wahlkampfvehikel für den vakanten Posten bei der Nato taugen Frederiksen Pläne also nur bedingt. «Sie hat damit vor allem ein innenpolitisches Signal gesetzt», so Kaufmann.
Allerdings gibt es auch Zweifel in Dänemark, ob die Wehrpflicht für Frauen überhaupt bis 2026 realisierbar ist, wie es die Regierung anvisiert. Zwar braucht die dänische Armee mehr Personal. Armeekreise geben aber zu bedenken: Müssen auch Frauen zum Dienst antreten, braucht es mehr Ausbildungspersonal. Zumal auch die Zahl der Diensttage der Rekrutinnen und Rekruten deutlich erhöht werden soll.
Sicherheitspolitischer Konsens
Gesellschaftlich wie politisch gibt es bislang aber wenig Widerstand gegen die Pläne. Die dänischen Frauen würden durchaus positiv reagieren, berichtet Kaufmann. «In Dänemark werden Sicherheitsfragen auch oft in grossem Konsens beschlossen: Praktisch alle Kräfte im Parlament stellen sich dahinter.»
Die Nato-Mitgliedschaft des Landes ist seit jeher breit abgestützt. Dass eine sozialdemokratische Frau die Wehrpflicht für Frauen vorantreibt, verleiht dem Anliegen zusätzlich Akzeptanz. «Und Frederiksen sagt auch: Wir rüsten nicht für den Krieg auf, sondern gegen den Krieg», so der SRF-Korrespondent. Widerstand gegen die Pläne gebe es derzeit nur vereinzelt – nämlich von ganz rechts und aus konservativen Kreisen.