Nach Ausschreitungen gegen Ausländer will die südafrikanische Regierung einen Aktionsplan vorstellen. Die in Südafrika lebende Journalistin Leonie March glaubt nicht, dass er viel bringen wird. Zu vielschichtig seien die Probleme – und zu lange nichts gegen sie unternommen worden.
SRF News: Es gibt Vorwürfe, die Politik fördere den Fremdenhass in Südafrika. Was ist da dran?
Leonie March: Der Wahlkampf für die Parlamentswahlen in einem Monat ist in vollem Gange. Er wird sehr populistisch geführt – Flüchtlinge und Einwanderer sind ein grosses Thema. Manche Südafrikaner werfen den Einwanderern vor, ihnen die Arbeit wegzunehmen. Schon seit mehr als zehn Jahren kommt es immer wieder zu Gewalt gegen Ausländer. Einige Politiker greifen diese Stimmung jetzt auf, manche schüren den Fremdenhass sogar.
Die Einwanderer müssen in den Armenvierteln als Sündenböcke herhalten.
Die Ausschreitungen richten sich gegen Menschen aus afrikanischen Ländern, wie Mosambik, Somalia oder Simbabwe. Warum?
Die Proteste richten sich pauschal gegen Flüchtlinge, Arbeitsmigranten und illegale Einwanderer. Südafrika ist eines der reichsten und stabilsten Länder in Afrika. Deshalb ist es ein beliebtes Ziel für Flüchtlinge und Migranten. Dort, wo die Migranten mit den armen Südafrikanern um Jobs, Wohnraum oder ärztliche Versorgung konkurrieren, kommt es regelmässig zu Konflikten. In den betroffenen Vierteln sind auch die Kriminalität und die Arbeitslosigkeit hoch, wofür die Einwanderer als Sündenböcke herhalten müssen.
Im Wahlkampf setzen sich einige Politiker gegen die offene Flüchtlingspolitik Südafrikas ein. Ist das ein allgemeiner Trend?
Tatsächlich gibt es innerhalb der Regierungspartei ANC seit einiger Zeit Bestrebungen, die Flüchtlingspolitik zu verschärfen. Noch weiter geht die grösste Oppositionspartei, Democratic Alliance, welche die Sicherung der Grenze sowie verschärfte Abschiebungen der illegalen Einwanderer verlangt. Solch undifferenzierte Wahlslogans sind ein Spiel mit dem Feuer: Viele Südafrikaner sehen sich in ihrer fremdenfeindlichen Haltung bestätigt.
Ein Feindbild wird bloss durch ein anderes ersetzt.
Dagegen wiederum positioniert sich die linke Oppositionspartei Economic Freedom Fighters. Sie verlangt eine Solidarisierung aller Afrikaner – aber nicht, ohne nachzuschieben, dass die Weissen an der Misere Schuld seien und man sich gegen sie verbünden müsse. Ein Feindbild wird also bloss durch ein anderes ausgetauscht.
Wie geht der ANC von Präsident Cyril Ramaphosa mit den Ausschreitungen um?
Teilweise verharmlost er die Unruhen, indem er sie als kriminelle Taten bezeichnet. Andererseits gibt es aus der Partei auch unterschiedliche Signale. Manche ANC-Politiker springen auf die Populismus-Schiene auf und verlangen etwa, dass die Heimatstaaten der Einwanderer für deren Gesundheitskosten aufkommen sollten – was völlig unrealistisch ist. Präsident Ramaphosa selber verurteilte die Gewalt nach den jüngsten Ausschreitungen scharf und verwies darauf, wie wichtig die afrikanische Einheit sei. Dieses Hin und Her ist für den ANC leider seit Jahren symptomatisch.
Was kann man von dem Aktionsplan erwarten, den die Aussenministerin und der Polizeiminister vorstellen wollen?
Nicht viel mehr als Symbolpolitik. Das Problem ist während langer Zeit gewachsen, hat viele Ursachen und ist dementsprechend schwierig anzugehen. Wenn man es aber gar nicht erst anpackt – wie das die Regierungspartei ANC in den letzten Jahren eben nicht getan hat – dann kann man das Problem auch nicht lösen. Ich bin deshalb wenig optimistisch.
Das Gespräch führte Claudia Weber.