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Einschätzungen zum Friedensnobelpreis 2023
Aus Tagesschau vom 06.10.2023.
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Friedensnobelpreis 2023 Ein Preis gegen das Vergessen

Der Friedensnobelpreis für die iranische Freiheitskämpferin Narges Mohammadi ehrt den Mut all jener Iraner und vor allem Iranerinnen, die seit einem Jahr für gesellschaftliche Freiheiten auf die Strasse gehen: namentlich für ein Ende des Kopftuchzwangs, aber auch für den Sturz der islamischen Diktatur unter dem Obersten Führer Ali Chamenei.

Ein vereinter Kampf für Veränderung

Die Bewegung unter dem Wahlspruch «Frau, Leben, Freiheit» unterscheidet sich von früheren iranischen Freiheitsbewegungen durch ihre Breite: Verschiedene ethnische und religiöse, soziale und politische Gruppen der iranischen Gesellschaft haben sich ihr angeschlossen in der Hoffnung auf Veränderung.

Genährt wurde die Hoffnung durch eine beispiellose Welle der Solidarität, vor allem in Europa und Nordamerika. Täglich war «Frau, Leben, Freiheit» in den Nachrichten. Popstars und Sportlerinnen skandierten den Wahlspruch, Massendemos sollten Narges Mohammadi und ihren Mitstreiterinnen Mut machen.

Die Erfolgsbilanz der Freiheitsbewegung ist freilich durchwachsen. Nach allem, was aus Iran an die Weltöffentlichkeit dringt, tragen tatsächlich immer weniger Frauen ein Kopftuch. Der iranische Sicherheitsapparat scheint nicht mehr willens oder in der Lage zu sein, die strengen religiösen Regeln durchzusetzen.

Eine geeinte, antiwestliche Allianz

Doch das iranische Regime ist von einem Sturz weit entfernt. Im Gegenteil: Die weltpolitische Lage hat Ali Chameneis Macht gefestigt. Der Ukraine-Krieg hat nämlich nicht nur den Westen geeint, sondern auch die antiwestliche Allianz zusammenrücken lassen, namentlich Russland und China, also die mächtigsten Verbündeten Irans.

China besiegelte kürzlich die Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Iran und dem Erzrivalen Saudi-Arabien. Für Ali Chamenei ein wichtiger Schritt aus der Isolation, in den ihn die Sanktionen der USA und der EU gedrängt hatten. Die USA wiederum stimmten der Freigabe von Sanktionsgeldern in der Höhe von sechs Milliarden Dollar zu, um dafür fünf amerikanische Geiseln freizubekommen.

Kein Sturz des Regimes in Sicht

Vor allem aber steht der Iran kurz davor, eine Atombombe zu bauen. Den USA und ihren Verbündeten dürfte es kaum gelingen, dies zu verhindern. Die Atombombe wäre für Ali Chamenei das beste Mittel der Abschreckung gegen Militärinterventionen feindlicher Grossmächte.

Dass «Frau, Leben, Freiheit» bald den Sturz des iranischen Regimes einläuten wird, erscheint unwahrscheinlich. Der Friedensnobelpreis für Narges Mohammadi ist daher auch ein Preis gegen das Vergessen – das Vergessen einer Freiheitsbewegung zwischen Hoffnung und Aussichtslosigkeit.

Sebastian Ramspeck

Internationaler Korrespondent

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Sebastian Ramspeck ist internationaler Korrespondent für SRF. Zuvor war er Korrespondent in Brüssel und arbeitete als Wirtschaftsreporter für das Nachrichtenmagazin «10vor10». Ramspeck studierte Internationale Beziehungen am Graduate Institute in Genf.

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SRF 1, Tagesschau, 6.10.2023, 12:45 Uhr

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