Im Herzen der Altstadt von Mossul steht die 800-jährige al-Nuri-Moschee. Der IS jagte sie 2017 in die Luft, als die irakischen Truppen vorrückten. Jetzt wird sie von der Unesco restauriert, mit Geld aus den Vereinigten Arabischen Emiraten. Die Restaurierung der Moschee ist ein Symbol für die Menschen, die langsam in das umliegende Quartier zurückkehren.
Auf der gegenüberliegenden Strassenseite liegen zwei Bäckereien. In einer bedient Ahmed eine Kundin und strahlt. «Das Leben kehrt hier zurück, dank der internationalen Hilfswerke und der irakischen Regierung», sagt der Bäckermeister. Neben seiner Bäckerei ist ein Coiffeur. Er frisiert einen 4-jährigen Jungen in einem winzig kleinen Laden und freut sich über das, was in Mossul passiert.
Wiederbelebung nimmt Fahrt auf
«Wenn ich mein Geschäft wieder aufmache, kommt auch mein Nachbar wieder zurück. Und wenn zwei Geschäfte offen sind, macht ein dritter seinen Laden auf. Und so beleben wir die Altstadt wieder.» Neben dem Coiffeurgeschäft gibt es auch eine kleine Papeterie. Vor dem Eingang stehen zwei Frauen, eine ältere und eine jüngere.
Ihre Gesichter sind gezeichnet vom Leid der Kriegsjahre. «Das Leben kehrt zwar nach Mosul zurück. Aber die Toten kommen nie wieder», sagt die Ältere. Ihr Sohn und seine ganze Familie seien im Krieg umgekommen. «Meine Enkel sind für immer gegangen. Eine Katastrophe», sagt sie. Die jüngere Frau, Marwan, bringt sich ein. Sie ist Witwe. «Der IS hat ihren Mann geköpft», sagt ein Passant, der sie kennt. Sie nickt traurig, verabschiedet sich und geht weiter.
Nachbarschaftshilfe in der Altstadt
In der Papeterie zeigt der Schönschreibkünstler Alaa Almola ein Muster seines Könnens. Die beiden Frauen kennt er. Er weiss, was sie durchgemacht haben. Auch er blieb während des ganzen Krieges in Mossul. Ebenso Abed el Jabbar Hamoudi, ein Kunde, und Ossama, ein junger Mann, der als einer der einzigen die Bombardierung seines Hauses bei der Befreiung Mossuls vom IS überlebt hat.
Heilen könnten die Menschen hier nur zusammen, sagen alle drei. «Die Menschen in der Altstadt haben einen sehr engen Zusammenhalt», erklärt der Kunde. «Wir kennen einander, sind befreundet oder verwandt. Wenn jemand arm ist, klopft plötzlich einer an seiner Tür und bringt ihm Fleisch oder Gemüse. Von wem, das weiss niemand. Jeder tut, was er kann, gibt sich aber nie zu erkennen, damit sich niemand für seine Armut schämen muss.»
Das sei ein Akt der Menschlichkeit, sagt der Besitzer der Papeterie, nach all dem Unmenschlichen, das ihnen widerfahren ist – und dies inmitten der Zerstörung, die noch immer sichtbar ist, auch in seinem Laden. Zusammen mit seinem Sohn führt er durch seine Werkstatt über eine schwer beschädigte Treppe aufs Dach. Von dort aus sieht man direkt auf die al-Nuri-Moschee, die renoviert wird. «Das Wetter ist so schön», sagt er. «Es wird Frühling!»