Der Druck hat gewirkt. Die Furcht vor einem vertragslosen Austritt Grossbritanniens aus der EU hat beide Seiten zurück an den Verhandlungstisch gebracht und einen Deal praktisch in letzter Minute ermöglicht. Ob dieser Deal die Zustimmung des britischen Parlaments findet, steht allerdings bis Samstag in den Sternen – dann soll in London der Entscheid fallen.
Das Wichtigste in Kürze:
- Der heute vereinbarte Text basiert auf dem Scheidungsabkommen, das die EU vor einem Jahr mit der damaligen britischen Premierministerin Theresa May vereinbart hatte – den das Parlament in London dann aber verwarf.
- Der grösste Teil des Abkommens bleibt unverändert. Zum Beispiel, was die Gelder betrifft, die das Vereinigte Königreich nach Brüssel überweisen muss. Auch die Rechte der EU-Bürger, die bereits im Vereinigten Königreich leben, bleiben unverändert.
- Änderungen gibt es vor allem bei der Lösung der Irland-Frage, dem sogenannten Backstop. Dieser Backstop tritt frühestens 2021 in Kraft.
- Bis Ende 2020 gilt nämlich zunächst eine Übergangsperiode: Das Vereinigte Königreich bleibt Teil des EU-Markts, ist eine Art EU-Passivmitglied, ähnlich wie die EWR-Staaten Norwegen, Island oder Liechtenstein.
- Diese Übergangsperiode kann um bis zu zwei Jahre verlängert werden, also bis Ende 2022, falls beide Seiten dies wünschen.
- Während der Übergangsperiode soll ein umfassendes Freihandels- und Kooperationsabkommen zwischen der EU und dem Vereinigte Königreich ausgehandelt werden.
- Der Backstop sieht vor, dass Nordirland zwar zum Zollgebiet des Vereinigten Königreichs gehört, aber gleichzeitig eine Zollpartnerschaft mit der EU eingeht. Nordirland müsste zudem EU-Regeln über Warenstandards und die Mehrwertsteuer übernehmen.
- Das nordirische Parlament bekäme ein Mitspracherecht. Es muss den Backstop erstmals vier Jahre nach Inkrafttreten und dann alle vier Jahre bestätigen.
Der nun vereinbarte Backstop geht zurück auf einen alten Vorschlag der EU, den May damals als «inakzeptabel» zurückgewiesen hatte, enthält aber auch einige Zugeständnisse der EU an die britische Seite. Davon abgesehen entspricht das neue Scheidungsabkommen im Grossen und Ganzen dem alten. Deshalb dürfte es in der EU kaum auf Widerstand stossen – im Parlament in London aber schon.