Nach dem Aufstand der Söldnertruppe Wagner in Russland hält sich China mit Reaktionen zurück. Das ist bemerkenswert, gilt doch Staatschef Xi Jinping als grosser Verbündeter des russischen Präsidenten Wladimir Putin. China unterstütze Russland beim «Versuch, die nationale Stabilität zu erhalten», heisst es vom Aussenministerium lediglich, und von einer inneren Angelegenheit Russlands ist die Rede.
Ungeachtet der offiziellen Zurückhaltung Pekings seien die Vorfälle aus chinesischer Sicht sehr besorgniserregend gewesen, erklärt Fabian Kretschmer, langjähriger freier Korrespondent in China. Damit seien auch die zurückhaltende Medienberichterstattung und die ziemlich starke Zensur bei der Wagner-Aktion in den sozialen Medien zu erklären.
Staatschef Xi stellte sich bekanntlich wiederholt öffentlichkeitswirksam an die Seite von Putin, womit jede Schwächung Putins auch ein eigener Gesichtsverlust darstellt, wie Kretschmer darlegt: Man möchte aber vor allem nicht, dass der strategische Partner geschwächt und Russland instabil wird.
Instabilität sei tatsächlich das schlimmste Szenario in China, auch wegen der langen gemeinsamen Landesgrenze von 4200 Kilometern, so Kretschmer. Peking gehe immer vom Schlimmsten aus, etwa von möglichen Fluchtbewegungen und bürgerkriegsähnlichen Zuständen, die über die Grenze schwappen könnten.
Der allerschlechteste Fall aus chinesischer Sicht wäre wohl, wenn Putin stürzen und allenfalls gar eine prowestliche Führung in Moskau übernehmen würde, was natürlich sehr unwahrscheinlich ist. Aber dann wäre China geopolitisch vollkommen eingekesselt.
Freundschaft und Zweckbündnis
Dass sich China nicht stärker an die Seite von Russland stellt, hängt nach den Worten von Kretschmer wohl damit zusammen, dass Peking die aktuelle Situation herunterspielen und klein halten will. Die Rhetorik wiederum sei auch nicht so überraschend, denn China warte in der Regel ohnehin erst einmal ab: «Das bedeutet aber nicht, dass sich die hiesigen Führungsriegen nicht viel Gedanken und auch Sorgen machen.»
Staatschef Xi hat die Beziehung zu Russland als «Freundschaft ohne Grenzen» bezeichnet. Ob China auch bereit gewesen wäre, Moskau bei einer allfälligen Eskalation des Söldneraufstands zu unterstützen, ist schwer abschätzbar. Es handelt sich auch weniger um eine Freundschaft als um ein Zweckbündnis mit einer soliden Basis.
Gemeinsam gegen den Westen
Russland und China haben eine historisch sehr komplizierte Vergangenheit, eine organisch gewachsene Völkerfreundschaft besteht nicht. Die Länder eint, dass sie beide gegen den Westen kämpfen und die Vorherrschaft der Vereinigten Staaten durchbrechen wollen.
Beide lehnen die Wertevorstellungen liberaler Demokratien ab. So ist Russland aus chinesischer Sicht auch deshalb ein guter Partner, weil es militärisch nach wie vor eine Weltmacht und ständiges Mitglied im UNO-Sicherheitsrat ist.
Isolation und Abhängigkeit
Russland ist zudem mittlerweile international ziemlich isoliert und vor allem wirtschaftlich extrem abhängig von China, fast schon wie ein Vasallenstaat. China lässt sich das bezahlen. Russisches Öl fliesst im Moment zu sehr günstigen Konditionen nach China.