Es gebe nur drei Dinge, für die sich der ungarische Regierungschef Viktor Orbán wirklich interessiere, sagen seine Kritiker: Macht, Geld und Fussball. In den letzten Jahren investierte Orbán Hunderte Millionen staatliche Gelder in den Bau von mindestens 25 Stadien und Fussballakademien. Das Überraschende: Nicht nur in Ungarn, sondern überall da, wo Ungarisch gesprochen wird, in Rumänien, Serbien, Kroatien, Slowenien und der Slowakei.
Dort geht es um viel mehr als um Fussball, es geht um politischen Einfluss. Seit 2010 vergab Viktor Orbán in seinen Nachbarländern an rund eine Million Ungarisch-sprachige die ungarische Staatsbürgerschaft. Als Gegenleistung wählen viele dieser Neu-Ungarn Orbáns Fidesz-Partei. Folge: Orbán verfügt seit 14 Jahren über eine Zweidrittelmehrheit im Parlament.
Schmerzhafter Gebietsverlust 1918
Ungarn verlor nach dem Ersten Weltkrieg im Vertrag von Trianon zwei Drittel seines Staatsgebietes, und viele haben den Verlust dieser Gebiete nie überwunden. Und Viktor Orbán bewirtschaftet diesen Schmerz. Etwa als er 2020 sagte: «Eine Grenze besitzt nur das Land, nicht aber die Nation!» Kürzlich tauchte er in einem – von ihm finanzierten – rumänischen Stadion auf, um den Hals einen Schal, auf dem Grossungarn in den Grenzen vor 1918 abgebildet war. Die Empörung in Rumänien war gross.
Fussball sei für Orbán viel mehr, als ein Sport, sagt Pál Dániel Rényi, Autor des Buches «Der Zwang zu Siegen» in dem er Orbáns Fussball-Obsession detailliert analysiert. «Der Stil seiner Politik ist ganz ähnlich wie die Art und Weise, wie er früher Fussball spielte. Es geht nicht um die Schönheit des Spiels. Es geht nur darum, das Spiel zu gewinnen. Um jeden Preis. Egal ob man sich dabei an die Regeln hält oder nicht.»
Ein guter Teil des Geldes für den Stadionbau stammt aus dubiosen Quellen.
Doch der Bau der von Ungarn finanzierten Stadien erfolgt selten ohne Misstöne. Etwa im kroatischen Osijek, wo für den Stadionbau kurzerhand die Stadtplanung über den Haufen geworfen wurde. Jetzt bricht bei Heimspielen regelmässig der Verkehr zusammen. Drago Hedl, der Dojen der lokalen Journalisten sagt: «Ein guter Teil des Geldes für den Stadionbau stammt aus dubiosen Quellen, die sich nicht genau nachvollziehen lassen. Es lief teilweise als Spenden über irgendwelche Fonds von Lörinc Meszaros, dem ungarischen Oligarchen und Schulfreund von Viktor Orbán.»
Orbáns Schulfreund baut
Tatsächlich werden die von Ungarn finanzierten Stadien fast alle durch eine Firma von Lörinc Meszaros gebaut. Dieser stieg in wenigen Jahren vom Sanitärinstallateur zu einem der reichsten ungarischen Oligarchen auf. Ein Markenzeichen seiner Stadionbauten: Sie werden fast immer mindestens 50 Prozent teurer als geplant.
So auch in Szombathely. Clubbesitzer war dort der Schwiegersohn von Lörinc Meszaros. Nach einem Seitensprung des Clubbesitzers liess sich seine Frau scheiden. Meszaros drehte den Geldhahn sofort zu. Der Verein steht jetzt vor dem Bankrott. Der ehemalige Vizebürgermeister sagt: «Ich glaube, die Absicht hinter all diesen Stadionbauten ist, dass die Erbauer Geld stehlen können. Unsere Schulen und Spitäler sind ruiniert. Und wir bauen Stadien im Ausland. Es ist eine Schande.»
Fakt ist aber auch, dass der Fussball in Ungarn dank der vielen neuen Stadien und Fussballakademien einen Aufschwung erlebte. Ungarn spielt jetzt zum dritten Mal hintereinander an der Europameisterschaft mit.