Heute beginnt das erste globale Gipfeltreffen nach Donald Trumps Wahl zum US-amerikanischen Präsidenten. Gastgeber ist Lula da Silva, der brasilianische Staatschef. Unter dem Zuckerhut-Felsen am Ufer des Atlantiks kommen die Staats- und Regierungsoberhäupter der grössten Wirtschaftsnationen zu zweitägigen Beratungen zusammen. Was ist zu erwarten? Antworten von Sebastian Ramspeck, dem internationalen Korrespondenten von SRF.
Wer kommt nach Rio, wer bleibt zu Hause?
Fast alle G20-Chefs folgen der Einladung nach Rio. Unter ihnen Xi Jinping aus China, Olaf Scholz aus Deutschland – und Noch-Präsident Joe Biden aus den USA. Zweifelsohne wird es aber in einem Grossteil der Gespräche um Bald-wieder-Präsident Trump gehen. Wird er einen Handelskrieg nach dem andern entfachen? Oder wird er Frieden in der Ukraine und in Nahost machen? Nicht mitdiskutieren wird Russlands Präsident Wladimir Putin. Er ist wegen mutmasslicher Kriegsverbrechen zur Verhaftung ausgeschrieben und lässt ausrichten, er wolle die Arbeit der G20 «nicht stören».
Worüber wird offiziell diskutiert?
Als Gastgeber verantwortet Lula die Tagesordnung und stellt sie in den Dienst des sogenannten Globalen Südens. Ganz oben steht die Armutsbekämpfung, Energiewende sowie eine Reform internationaler Wirtschaftsorganisationen. Konkretes Beispiel: Lula fordert eine globale Mindeststeuer für Milliardäre. Chancen haben solche Ansinnen kaum, mit Trump erst recht nicht. Ein G20-Dauerthema ist zudem die Schuldenerleichterung für arme Länder. Der Westen will China in die Pflicht nehmen, nachdem das Land zum grössten Gläubiger der Welt aufgestiegen ist.
Ist die Klimaerwärmung auch ein Thema?
Ja. Parallel zu den Verhandlungen an der Weltklimakonferenz im aserbaidschanischen Baku wird auch in Rio über den Klimaschutz diskutiert. Biden hofft auf einen letzten, wenn auch nur symbolischen Verhandlungserfolg, und besuchte am Sonntag den Amazonas-Regenwald. Er würde gerne als «Klimapräsident» in die Geschichtsbücher eingehen. Doch es ist bitter für Biden: Das Thema rückt auf der Prioritätenliste der Weltdiplomatie immer weiter nach unten, mit Trump sowieso.
Was will China erreichen?
Präsident Xi wird versuchen, China als verlässliche Supermacht in Szene zu setzen. Tatsächlich ist China für Brasilien und andere südamerikanische Staaten wichtigster Wirtschaftspartner geworden und hat die USA überholt. Doch plötzlich ist Bitteres zu hören. Brasilien will sich nicht am chinesischen Investitionsprojekt der neuen Seidenstrasse beteiligen, da brasilianischen Gütern der chinesische Markt verwehrt bleibt. China muss also seine Verlässlichkeit noch unter Beweis stellen, zumal mit Trump eine Eskalation des chinesisch-amerikanischen Handelskriegs droht.
Geht es in Rio auch um den Ukraine-Krieg?
Ja. Zu reden geben wird die Erlaubnis der USA an die Ukraine, weitreichende Waffen gegen Ziele in Russland einzusetzen. Scholz wird sich nach seinem Telefonat mit Putin nun auch mit Xi beraten. Bekanntlich hat Trump einen baldigen Deal zwischen Russland und der Ukraine versprochen. Putin könnte für seinen Krieg mit einem Teil der Ukraine belohnt werden. Nicht nur für Scholz wäre das eine bittere Pille. Doch von Xi kann er nichts anderes erwarten als Unterstützung für Putin. Und einen Plan B gibt nicht. Der Plan besteht darin, auf Trumps Erfolg zu warten – oder sein Scheitern.