Das vom Bürgerkrieg gebeutelte Land Jemen soll rund 1.3 Milliarden Dollar an Hilfsgeldern bekommen. Das Geld wurde an einer internationalen Geberkonferenz gesprochen, die von Saudi-Arabien mitorganisiert wurde – dem Land, das selbst in den Konflikt in Jemen involviert ist und für Kriegsverbrechen verantwortlich gemacht wird.
SRF News: Wieso veranstaltete ausgerechnet Saudi-Arabien diese Geberkonferenz?
Philipp Scholkmann: Weil Saudi-Arabien die Welt davon überzeugen will, dass es nicht in erster Linie Kriegstreiber in Jemen sei, sondern sich aus Sorge um sein kleines und völlig verarmtes Nachbarland kümmere. Der Königshof in Riad beklagt schon lange, dass die Welt ein falsches Bild habe. Saudi-Arabien sucht Gelegenheiten, um sich in ein gutes Licht zu stellen. Wohl umso mehr, je grösser das Debakel für Saudi-Arabien in Jemen militärisch wird.
UN-Experten werfen Saudi-Arabien Kriegsverbrechen vor. Es führt eine Militärkoalition an, die gegen die Huthi-Rebellen kämpft. Wie kann das Land gleichzeitig Kriegstreiber und Geldgeber zur Linderung der mitverschuldeten Not sein?
Das ist natürlich paradox. Saudi-Arabien leistet in Jemen so viel humanitäre Hilfe wie kein anderes Land. Zwei Milliarden Dollar sind ins Land geflossen, um die Währung und die Wirtschaft im Süden zu stabilisieren, wo die Saudis Einfluss haben. Ein Teil der saudischen Hilfe ist nicht an Bedingungen geknüpft. Die Hilfsorganisationen können dieses Geld also etwa auch in Rebellengebieten einzusetzen, so wie das die Grundsätze der humanitären Hilfe auch erfordern: dass sie neutral ist.
Andererseits bombardiert Saudi-Arabien dieses Rebellengebiet seit fünf Jahren und schnürt es mit Transportbeschränkungen und Blockaden ab. Das erschwert die Zufuhr von Gütern wieder massiv. Im Rebellengebiet leben zwei Drittel der jemenitischen Bevölkerung. Die Blockadepolitik treibt die Kosten in die Höhe und lässt ein grosses Netz von Schmugglern und anderen Kriegsgewinnlern florieren.
Die Saudis geben manchmal in einem Monat doppelt so viel für ihren Militäreinsatz aus, als sie Hilfsgelder bis Ende Jahr gesprochen haben.
Man muss die Hilfe auch ins Verhältnis zu den Kriegskosten setzen. Es wird geschätzt, dass die Saudis manchmal im Monat doppelt so viel für ihren Militäreinsatz ausgeben wie diese halbe Milliarde, die sie an der Geberkonferenz bis Ende Jahr gesprochen haben.
Hilfsorganisationen hatten in der letzten Zeit wiederholt um stärkere Unterstützung gebeten. Die Lebensmittelrationen für Hungernde habe man bereits halbieren müssen, auch Programme in vielen Krankenhäusern mussten nach Angaben der UNO aus Geldmangel zurückgefahren werden. Wieso sind diese Gelder ausgeblieben?
Einerseits kommt Geld nicht in dem Umfang, wie es an solchen Konferenzen versprochen wurde. Eine Operation wie jene in Jemen – und das ist ja die teuerste humanitäre Operation der Welt – kämpft schon grundsätzlich ständig mit der Finanzierung. Das hat sich in Zeiten weltweiter Corona-Wirtschaftskrisen noch verstärkt. Das hat auch die Geberkonferenz am Dienstag gezeigt, die mit weniger Zusagen zu Ende ging als erhofft.
Aber es gibt einen zweiten Grund. Die Kriegsparteien, und da sind vor allem die Huthi-Rebellen im Visier, versuchen, die Kontrolle über die Verteilung der humanitären Hilfe zu erlangen. Das ist ein alter Konflikt. Die Hilfsorganisationen haben lange einfach zugesehen. Aber irgendwann wurde das politische Spiel so dreist offensichtlich, dass sie doch die Hilfsleistungen heruntergefahren haben, um Druck auf die Huthis auszuüben. Allerdings, wie man hört, bisher mit eher mässigem Erfolg.
Das Gespräch führte Salvador Atasoy.