Vor 30 Jahren liess die chinesische Regierung in Peking die Tiananmen-Demokratie-Bewegung brutal niederschlagen. Soldaten schossen auf Demonstranten und Panzer überrollten Bürger. Seither ist der 4. Juni in China ein Tabu-Thema – mit Ausnahme von Hongkong. Dort gedenken momentan Tausende der Opfer. Wir haben mit SRF-China-Korrespondent Martin Aldrovandi darüber gesprochen.
SRF News, weshalb stösst die Bewegung gerade in Hongkong auf grosses Interesse?
Martin Aldrovandi: Weil die Menschen dort die Möglichkeit haben, zu demonstrieren. Zudem sind die Menschen in Hongkong stolz darauf, dass sie die einzige chinesische Stadt sind, die dieser Bewegung gedenken darf. Gleichzeitig ist es auch eine Gelegenheit, sich von China abzugrenzen. Es gibt viele in Hongkong, die sich ob dem grösseren Einfluss Chinas in der Stadt Sorgen machen. Das ist anhand folgendem geplanten Gesetz sichtbar. Dieses sieht die Auslieferung von Menschen vor, die von China nach Hongkong geflüchtet sind. Das Gesetz soll demnächst verabschiedet werden.
Registriert die restliche Bevölkerung Chinas die Geschehnisse in Hongkong?
Offiziell nicht. Die staatlichen Medien werden alle zensiert. Es wird nicht darüber berichtet. Aktivisten und Dissidenten werden stark überwacht. Dazu gehören auch Leute, die ich im Vorfeld interviewt habe.
Aktivisten und Dissidenten werden stark überwacht.
Das Haus einer Mutter eines Opfers wird mittlerweile streng überwacht. Da kommt kein Journalist mehr rein oder raus. Dann werden viele VPN-Apps, mit welchen man auf gesperrte ausländische Websites gehen kann, unterdrückt.
Einige Chinesen haben mir gesagt, dass sie sich im Vorfeld informiert haben. Andere haben keine Ahnung – und wenn sie damit konfrontiert werden, reagieren sie ungläubig, dass die Regierung vor 30 Jahren so etwas getan haben soll.
Weshalb verhält sich China bei diesem Thema so sensibel?
Die Demokratiebewegung wird als Herausforderung gesehen. Peking will vermeiden, dass sich eine solche Bewegung wiederholt. Deshalb wird die kleinste Kritik bereits im Keim erstickt. Die Überwachung in China ist sehr ausgeklügelt – Stichwort Gesichtserkennung.
Peking will vermeiden, dass sich eine solche Bewegung wiederholt. Deshalb wird die kleinste Kritik bereits im Keim erstickt.
Man will verhindern, dass sich kritische Bewegungen im Land bilden können.
Das Gespräch führte Christina Scheidegger.