- China geht massiv gegen Minderheiten wie Uiguren, Kasachen, Tataren oder Kirgisen vor.
- In mehr als 1000 Umerziehungslagern im Land sind eineinhalb Millionen Menschen interniert.
- Nach aussen wird mit Terrorismus argumentiert. Es dürfte jedoch vor allem um das Überleben der Kommunistischen Partei gehen.
Omir Bekali wurde auf einer Tourismuskonferenz in Xinjang gleich bei der Ankunft verhaftet. Der Uigure wurde in eine überfüllte Zelle gebracht und verhört. Er sei ein Terrorist, unterstütze Terroristen, so der Vorwurf an den Vizedirektor einer Tourismusbehörde. Er wurde in Ketten gelegt und später in ein Umerziehungslager gebracht. «Im Lager gab es Menschen im Alter von 13 bis 80 Jahren. Wir haben in Angst gelebt. Wir wussten nicht, wann wir sterben», erzählt Bekali. Er erlebte Gewalt und Folter.
Fünfmal täglich hätten die Insassen singen müssen, über die glorreiche Kommunistische Partei, dass China sie gerettet und ihnen ein gutes Leben gegeben habe. Manche Insassen hätten das Lager nicht überlebt.
«Schreckenskampagne ohnegleichen»
Bekali ist einer von immer mehr Zeugen, die über die Umerziehungslager in China zu erzählen wagen. Und so ein immer klareres Bild entstehen lassen vom dramatischen Schicksal ethnischer Minderheiten in China. Vor allem trifft es Uiguren, aber auch andere Minderheiten wie Kasachen oder Tataren.
Zuerst leugnete China, dass es überhaupt Lager gibt. Inzwischen geben die chinesischen Behörden zu, dass es Anlagen gibt, sprechen aber von Berufsbildungszentren. Auch dank Adrian Zenz. Der Sozialwissenschaftler trägt seit Jahren Hinweise aus Behördendokumenten, Satellitenbildern und Zeugenaussagen zusammen und konnte so die Existenz der Lager nachweisen.
Er schätzt, dass es inzwischen in China rund 1000 Umerziehungslager gibt, in denen insgesamt eine bis eineinhalb Millionen Menschen eingesperrt sind.
«Die Umerziehungs-Kampagne unter den Uiguren in Xinjiang ist beispiellos – Sie übertrifft alles was die chinesische Regierung sonst gemacht hat, auch unter den Tibetern, auch unter anderen ethnischen Minderheiten», sagt Zenz. «Es ist wirklich eine Schreckenskampagne ohnegleichen.»
Hinter dieser Politik steckt die Angst Pekings vor Terrorismus und Unabhängigkeitsstreben. Für Peking ist das uigurische autonome Gebiet Xinjiang im Westen des Landes ein potentieller Hort für Extremismus.
Totale Kontrolle
So ist die Provinz für die 11 Millionen Uiguren zu einer Art Freiluft-Gefängnis geworden. Voll von Polizeiposten und Checkpoints. Die Uiguren werden regelmässig durchsucht. Der Inhalt ihrer Mobiltelefone wird überprüft. Wer ein verdächtiges Foto darauf hat oder ins Ausland telefoniert, riskiert bereits die Festnahme. Alle ethnischen Minderheiten der Provinz erleben diese Unterdrückung. Uiguren, aber auch Kasachen, Tataren und Kirgisen.
Xinjiang ist die Provinz, wo als erste das grossangelegte Gesichtserkennungsprogramm installiert wurde, das in China aufgebaut wird. Hunderttausende Kameras überwachen jede Ecke in der Region. Die Überwachung in der Provinz Xinjiang ist auch dank künstlicher Intelligenz total.
Bekali kam nach acht Monaten plötzlich frei und konnte nach Kasachstan ausreisen. Heute kämpft er für die Menschen, die noch in Lagern eingesperrt sind. Wie seine Eltern, die später ebenfalls interniert wurden. Für Bekali ist klar: eine Massnahme der chinesischen Behörden, um ihn zum Schweigen zu bringen.