Eine Fährenfahrt quer über die Ostsee eröffnet in diesen Tagen ungewohnte Aussichten. Wo gewöhnlich zu dieser Jahreszeit vor allem Segel- und Kreuzfahrtschiffe das seichte Binnenmeer befahren, tauchen am Horizont ständig neue, riesige Tankschiffe auf.
Viele von ihnen seien in einem sehr schlechten Zustand, sagt Daniel Romehed, Chef der schwedischen Küstenwache. «Sie erfüllen unsere Sicherheitsbestimmungen nicht», betont Romehed, dessen Behörde grosse Teile der Ostsee mit Flugzeugen überwachen kann.
Es ist nicht auszuschliessen, dass Moskau das Risiko einer Umweltkatastrophe in der Ostsee eingeht – als Teil seiner hybriden Kriegsführung gegen den Westen.
Doch die vielen neuen Öltanker befinden sich in internationalem Gewässer und laufen russische Raffinerien bei Sankt Petersburg an. Sie sind die Antwort Russlands auf die westlichen Sanktionen: Nach Einführung eines Preisdeckels im Dezember letzten Jahres durch die Europäische Union exportiert Russland sein Öl nun zu höheren Preisen in Länder wie Indien und China.
Gefahr für sensibles Ökosystem
Dabei setze es auf günstige und in die Jahre gekommene Tankschiffe, die unter der Flagge von Drittstaaten wie Liberia fahren, sagt Veli-Pekka Tynkkynen, der an der Universität Helsinki Geopolitik lehrt. Er warnt: «Es ist nicht auszuschliessen, dass Moskau das Risiko einer Umweltkatastrophe in der Ostsee eingeht – als Teil seiner hybriden Kriegsführung gegen den Westen.» Ein solches Unglück würde zudem die Diskussion in der EU über den Sinn der Sanktionen gegen Russland anheizen, sagt Tynkkynen.
Die Ostsee ist ein seichtes Binnenmeer mit einem hohen Anteil an Süsswasser. Wegen der vielen Abwasser, die Anrainerstaaten in die Ostsee leiten, weist sie einen tiefen Sauerstoffgehalt auf. Die Artenvielfalt ist gering und das Ökosystem sehr sensibel.
Anrainerstaaten in Alarmstellung
Ein Tankerunglück hätte katastrophale Folgen für das Meer und die Küstengebiete, sagt der Sicherheitsdirektor der südschwedischen Provinz Blekinge, Peter Ryman. «Wir versuchen unser Bestes, uns auf eine solche Situation einzustellen.» Seine Provinzbehörde hat bereits damit begonnen, den eigenen Katastrophenschutz zu verstärken.
Auch wenn nun also bald fast sämtliche Anrainerstaaten der Ostsee nicht nur der Europäischen Union, sondern auch der Nato angehören, wird das Leben in und an diesem europäischen Binnenmeer vorderhand nicht sicherer, zumindest nicht für die Umwelt.