- Die Organisation für das Verbot chemischer Waffen OPCW darf in Zukunft auch ohne UNO-Beteiligung benennen, wer für festgestellte Chemiewaffenangriffe verantwortlich ist.
- An der OPCW-Jahrestagung werden ab Montag die Modalitäten für das eigene Ermittlerteam geklärt.
- Die neuen Kompetenzen hatte die Organisation bereits im Juni gegen den Widerstand Russlands und dessen Syrien-Verbündeten beschlossen.
Beim Giftgasangriff auf das syrische Chan Scheichun starben im April 2017 je nach Quellen 80 bis über 90 Menschen. Die OPCW eruierte das Nervengift Sarin, und eine gemeinsame Untersuchungskommission der UNO und der OPCW stellte schliesslich fest, dass die syrische Luftwaffe von Machthaber Baschar al-Assad für den Angriff verantwortlich gewesen sei.
Stefan Mogl, Chef Fachbereich Chemie des Labors Spiez und ehemaliger Chemiewaffen-Inspektor bei der OPCW, war bei der damaligen Untersuchung in Syrien dabei. Wichtig sei bei den Ermittlungen ein möglichst schneller Zugang zum Einsatzort, entscheidend seien aber auch Zeugenbefragungen, Proben aus der Umwelt und von Patienten, um zu beweisen, dass Personen exponiert wurden. Hilfreich seien auch Fotos, Videoaufnahmen oder Satellitenbilder, so Mogl.
Benennung der Täter auch ohne UNO-Beteiligung
Die damalige gemeinsame Untersuchungskommission (Joint Investigative Mechanism) war ausgestattet mit einem Mandat des UNO-Sicherheitsrates und durfte im Gegensatz zur OPCW explizit Urheber benennen. Doch Russland kritisierte wiederholt die Arbeit der Kommission in Syrien und verhinderte schliesslich im letzten Herbst mit seinem Veto im UNO-Sicherheitsrat eine Verlängerung des Mandats.
Die Klärung der Schuldfrage ist eine technische Aufgabe, dazu braucht es eine kompetente Organisation.
Erst der Giftanschlag auf den früheren russischen Doppelagenten Skripal im britischen Salisbury gab den Bemühungen um internationale Aufklärung von Gift- und Chemiewaffenattacken neuen Schub. Im vergangenen Juni beschlossen die OPCW-Mitgliedstaaten, die Organisation mit Sitz in Den Haag solle in Zukunft eigenständig Verantwortliche ermitteln.
Stefan Mogl begrüsst diese Kompetenzerweiterung: «Es ist sicher der richtige Weg nach vorne, weil man im Sicherheitsrat keine Lösung finden konnte. Es ist wichtig, dass die internationale Gemeinschaft abklärt, wer für Chemiewaffeneinsätze verantwortlich ist.» Mit den neuen Befugnissen dürfte die Organisation auch stärker angreifbar sein. Doch Mogl meint dazu, die OPCW sei schon bisher Vorwürfen und Angriffen ausgesetzt gewesen, als es noch nicht darum ging, Schuldige zu identifizieren.
Russland: Schuldfragen sind Sache der UNO
Russland und dessen Verbündete wie Syrien oder der Iran waren dagegen, dass die OPCW mit griffigeren Befugnissen ausgestattet wird. Nach ihrer Ansicht ist der UNO-Sicherheitsrat für Schuldfragen zuständig.
Stefan Mogl meint dazu: «Natürlich sind für die politische Diskussion politische Gremien zuständig. Aber die Abklärung der Schuldfrage ist eine technische Untersuchungsaufgabe, für die es eine kompetente Organisation braucht.» Der UNO-Sicherheitsrat könne diese Arbeit nicht leisten.
Erster Fall könnte bereits anstehen
Ein separates OPCW-Ermittlungsteam mit etwa zehn Experten soll künftig Urheber feststellen. Damit kann die Organisation auch möglichen Vorwürfen entgegentreten, die rein technische Abklärung von Chemiewaffen-Einsätzen würde politisiert.
Experten der OPCW haben im Frühjahr 2018 auch im syrischen Duma nach einem Angriff mit 40 Toten Spuren von Chlorverbindungen entdeckt. Der Schlussbericht fehlt noch, aber falls ein Giftgasangriff festgestellt werden sollte, könnte die OPCW dann auch die Urheber benennen.