Das Beispiel der iranischen Kletterin Elnaz Rekabi ist bei weitem nicht der einzige Fall von Sportlerinnen oder Sportlern aus totalitären Regimen, die an internationalen Wettbewerben überwacht werden.
Oftmals seien dafür sogar die Geheimdienste ihrer Heimatländer im Einsatz, sagt der Experte und Journalist Jens Weinreich. Er befasst sich seit 30 Jahren intensiv mit sportpolitischen Fragen wie Doping, Korruption, Sportpolitik oder Verbrechen im Sport.
«Es liegt in der Natur der Sache, dass Regime den Sport für sich nutzen wollen und die Sportler unter Druck setzen», sagt er. Deshalb sei es nur allzu logisch, dass der iranische Geheimdienst im Fall von Rekabi seine Finger im Spiel habe.
Was früher die DDR ist heute China
Man kenne das auch von anderen Nationen wie China oder früher der DDR und der Sowjetunion. Oftmals hätten die Sportfunktionäre dieser Länder Doppelrollen: «In Wirklichkeit sind sie Offiziere oder inoffizielle Mitarbeiter der Geheimdienste», so Weinreich.
Sportfunktionäre dieser Länder sind in Wirklichkeit Offiziere oder inoffizielle Mitarbeiter der Geheimdienste.
Nach der deutschen Wende und dem Zusammenbruch der Sowjetunion seien «unfassbare Mengen an Dokumenten» ans Tageslicht gelangt, welche die Verwicklung von Geheimdiensten und Sport in totalitären Regimen einwandfrei bewiesen. Dabei hätten die Schlapphüte vor allem drei Aufgaben, sagt der Experte.
«Der Geheimdienst soll Fluchtversuche von Sportlern vereiteln, die Geheimhaltung von Vorgängen im eigenen Sportsystem wie Doping sichern sowie beim Ausspionieren des internationalen Sports – wie Trainingspläne oder Ausrüstung – mithelfen.» Das hätten die Stasi-Dokumente gezeigt.
Mindestens ein Spion pro Delegation
Ähnliches wie damals passiere in Ländern wie China, Saudi-Arabien oder Iran heute noch. Das wisse man unter anderem dank Whistleblowern.
«Im Fall der DDR gehörte jeder kleineren Sportler-Delegation mindestens ein Stasi-Mitarbeiter an», sagt Weinreich. So ähnlich habe Iran wohl beim vorliegenden Fall der Kletterer-Delegation an den Asienmeisterschaften in Seoul verfahren.
Bei Grossereignissen aber seien die Geheimdienstler massiv zahlreicher vertreten. So wisse man aus den Stasi-Akten, dass im 600-köpfigen DDR-Team der Olympischen Spiele 1988 in Seoul 98 Personen als inoffizielle Geheimdienst-Mitarbeiter mit dabei waren.
In der DDR spionierten sogar Sportler für die Stasi – oftmals unter Zwang.
«Hinzu kamen zahlreiche Sportler, die oftmals unter Zwang ebenfalls für die Stasi spionierten», so Weinreich. Dabei hätten sich die Sportler durchaus auch gegenseitig ausspioniert, etwa, wenn sie das Hotelzimmer teilten. «Das gehört zu den Absurditäten und Abgründen von solchen Systemen», so Weinreich.
Sicherheitsleute auch bei westlichen Delegationen
Da sei es vorgekommen, dass sich Sportler-Kollegen ein Doppelbett an einem Wettkampf geteilt und einander ausspioniert hätten, ohne dem anderen etwas davon zu sagen. Und diese Praxis könne man für Länder wie China durchaus heute noch als Massstab nehmen.
Zwar seien bei Grossanlässen auch bei Sportlerinnen-Teams aus dem Westen stets Leute dabei, die für die Sicherheit der Sportler sorgen. «Doch es gibt einen grossen Unterschied, ob diese Begleitung aus Sicherheitsgründen erfolgt oder deshalb, um Spionage zu betreiben oder die Flucht eines Sportlers zu verhindern», betont der Experte.
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