Unerwartet kam der Gaslieferstopp aus Russland nicht: Die Ukraine hatte kein Geld für weiteres Gas ans Nachbarland überwiesen und mitgeteilt, dass sie vorerst auch keines benötige. Der ukrainische Ministerpräsident Arseni Jazenjuk kündigte sogar an, der Energiekonzern Naftogaz dürfe künftig gar kein Gas aus Russland mehr kaufen. Damit solle das Land unabhängiger von russischer Energie werden.
Der Chef des russischen Monopolisten Gazprom, Alexej Miller, sagte zum Gaslieferstopp: «Es gibt weder neue Vorauszahlungen noch neue Bestellungen. Deshalb haben wir die Gaslieferungen eingestellt.» Er sprach von «ernsten Risiken» für die Versorgung Westeuropas. Die Ukraine ist das wichtigste Transitland für russisches Gas für die EU.
EU sieht Lieferstopp gelassen
Eine neue Verhandlungsrunde zum Gaspreis des ersten Quartals 2016 ist für Dezember geplant. Die EU-Kommission sieht den Lieferstopp gelassen. «Die Kommission macht sich keine besonderen Sorgen über den Gasfluss», sagte eine Sprecherin in Brüssel.
Der ukrainische Staatskonzern Naftogaz versicherte, allen Verpflichtungen nachzukommen. Gas aus Russland werde nur im Bedarfsfall gekauft. «In den vergangenen anderthalb Jahren haben wir gezeigt, dass wir einen unterbrechungsfreien Transit russischen Gases unabhängig davon gewährleisten können, ob es der Ukraine geliefert wird oder nicht», sagte Naftogaz-Chef Andrej Kobolew. «Soweit es uns bekannt ist, sind sowohl Gazprom als auch deren Kunden zufrieden mit der Qualität und Zuverlässigkeit unserer Transitdienste», fügte er hinzu.
Erst im Oktober hatten beide Länder unter Vermittlung der Europäischen Union einen Gas-Konflikt beigelegt und Lieferungen wieder aufgenommen. Die Einigung sah Vorauszahlungen vor.
Transitflugverbot für Russen
Die Ukraine verzichtet aber nicht nur auf russisches Gas. Wie Ministerpräsident Jazenjuk weiter ankündigte, werde es Russland nicht mehr erlaubt sein, den Luftraum der Ukraine für Transitflüge zu nutzen. Direkte Flüge von Reisenden zwischen den beiden Ländern hatte die Ukraine bereits zuvor ausgesetzt.
Moskau seinerseits erschwerte Kohlelieferungen an Kiew. Einem russischen Zeitungsbericht zufolge waren schon am Dienstag die Exporte in die krisengeschüttelte Ex-Sowjetrepublik reduziert worden.
Kohlelieferstopp für Ukraine problematischer
Beobachter sehen darin eine Reaktion auf den massiven Stromausfall auf der von Russland annektierten Halbinsel Krim. Der Stopp der Kohlelieferungen wird in der Ukraine dramatischer gesehen als die Gasfrage. «Im Verlauf eines Monats werden etwa 40 Prozent unserer Wärmekraftwerke ohne Kohle dastehen, wenn wir keine Lieferungen aus anderen Quellen einrichten», sagte der Interimschef des Staatskonzerns Ukrenergo, Wsewolod Kowaltschuk, dem Internetportal Segodnya.ua.
Auf der Halbinsel Krim müssen russischen Behörden zufolge rund eine Million Menschen ohne Licht und Heizung auskommen. Durch die Sprengung von Strommasten war die Stromversorgung der Krim von der Ukraine am Samstag gekappt worden. Als Verantwortliche der Anschläge werden protestierende Krimtataren und ukrainische Nationalisten vermutet.
Gegenseitige Schuldzuweisungen
Eine der vier Leitungen soll dieser Tage repariert werden. Kremlchef Wladimir Putin ordnete an, bis spätestens 20. Dezember eine erste Stromleitung vom russischen Festland über die Meerenge von Kertsch einzurichten. Eine zweite Leitung soll bis Sommer 2016 stehen. Putin machte die ukrainische Regierung für den Stromausfall verantwortlich; diese habe die Sabotage stillschweigend hingenommen.