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Gelder für UNO-Hilfswerk Diese Folgen hat die sistierte UNRWA-Hilfe für den Gazastreifen

Das UNO-Palästinenserhilfswerk steht unter Druck: Diverse Länder haben die Zahlungen an die UNRWA ausgesetzt. Hintergrund sind Vorwürfe aus Israel: Zwölf Mitarbeiter des Hilfswerks sollen in die Hamas-Terroranschläge vom 7. Oktober verwickelt gewesen sein. Die UNO hat die betroffenen Mitarbeiter entlassen und eine Untersuchung eingeleitet. Trotzdem wächst die Liste von Ländern, die ihre Unterstützung sistieren – mit Folgen für den gesamten Gazastreifen. Korrespondent Fredy Gsteiger ordnet ein.

Fredy Gsteiger

Diplomatischer Korrespondent

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Fredy Gsteiger ist diplomatischer Korrespondent und stellvertretender Chefredaktor bei Radio SRF. Vor seiner Radiotätigkeit war er Auslandredaktor beim «St. Galler Tagblatt», Nahost-Redaktor und Paris-Korrespondent der «Zeit» sowie Chefredaktor der «Weltwoche».

Hier finden Sie weitere Artikel von Fredy Gsteiger und Informationen zu seiner Person.

Immer mehr Länder stoppen ihre Zahlungen an die UNRWA. Wie gross ist das Ausmass?

Es ist ein sehr grosses Ausmass. Die Aufdeckung der Verwicklung mehrerer UNRWA-Mitarbeiter in terroristische Taten ist im Grunde für das Flüchtlingshilfswerk die schlechtestmögliche Nachricht zum dümmstmöglichen Zeitpunkt. Die Finanzierung des Budgets der Organisation, pro Jahr etwa 1.2 Milliarden US-Dollar, basiert zu über 90 Prozent auf freiwilligen Beiträgen von Staaten. Nur ein sehr kleiner Teil kommt aus dem ordentlichen UNO-Haushalt. Wenn nun zehn Staaten auf einmal und darunter einige der grössten Zahler wie die USA, Deutschland, aber auch Grossbritannien, die Niederlande, Kanada oder Australien die Zahlungen ab sofort stoppen, dann steht die UNRWA vor dem finanziellen Kollaps.

Die UNRWA hat schlicht keine Reserven.
Autor: Fredy Gsteiger Diplomatischer Korrespondent

Was bedeutet der gestoppte Geldfluss für die UNO-Hilfe im Gazastreifen?

Es hat gravierende Konsequenzen, zumal momentan fast 2 Millionen Menschen in Gaza auf humanitäre Nothilfe angewiesen sind. Es ist also kein Alarmismus, wenn UNO Generalsekretär António Guterres eindringlich warnte, weite Teile der Tätigkeit der UNRWA müssten bereits im Februar eingestellt werden. Die UNRWA hat schlicht keine Reserven. Sie hangelte sich schon bisher von Nothilfeappell zu Nothilfeappell. Da zeigt sich auch ein generelles Problem bei der UNO, wenn es um humanitäre Hilfe geht. Wenn immer etwas passiert, auch etwa Naturkatastrophen, dann braucht es sofort Hilferufe um Geld, bevor überhaupt Tätigkeiten beginnen können.

Ein Flüchtlingscamp
Legende: Ein Flüchtlingscamp in der Nähe des Nasser Spitals in Khan Yunis. Keystone/EPA/HAITHAM IMAD.

Könnten andere Geldgeber in die Bresche springen?

Grundsätzlich ja. Es gibt ja etliche Länder wie China oder Russland, die verbal die Palästinenser stark unterstützen. China und Russland mögen ja nicht einmal den Hamas Terrorismus explizit verurteilen, aber auf der Liste der Zahler für die UNRWA, da sind sie auffallend absent. Auch reiche arabische Staaten wie die Emirate, Kuwait, Katar, Saudi-Arabien zahlen nur relativ bescheidene Summen. Von dort könnte mehr Geld kommen und die westlichen Zahler zum Teil ablösen.

Was heisst die aktuelle Entwicklung für die Zukunft der UNRWA?

Der Druck wird noch grösser werden, möglicherweise existenzgefährdend. Kritisiert wird die UNRWA seit langem, weil sie nicht neutral im Palästinakonflikt sei, was letztlich wenig erstaunlich ist. Bei den rund 30'000 UNRWA-Angestellten handelt es sich grossmehrheitlich um Palästinenserinnen und Palästinenser. Dass sich nun Einzelne von ihnen sogar Terrorakte zuschulden kommen lassen, ist entsetzlich und empörend. Es kann aber nicht wirklich erstaunen, denn es gibt ja viele Tausend Hamas-Akteure im Gazastreifen. Das ist keine Rechtfertigung, aber es ist eine Erklärung. Bei der UNO-Untersuchung könnten sogar noch weitere Fälle ans Licht kommen.

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Echo der Zeit, 28.01.2024, 18 Uhr ; 

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