Sie ist gefragt an der Klimakonferenz: im Kreis der Klimastreikenden auf den Strassen von Glasgow, aber auch an Veranstaltungen im Kongresszentrum. Zum Gespräch kommt sie direkt von einem Auftritt mit Grossbritanniens Prinz William. Luisa Neubauer, 25, studierte Geografin aus Hamburg, gilt als das Gesicht der Klimastreik-Bewegung in Deutschland.
Ich wüsste nicht, wie ich es vor mir selbst rechtfertigen könnte, nichts zu machen.
Was sie antreibt? Falsche Frage: Was treibt diejenigen an, die nicht lautstark demonstrieren für mehr Klimaschutz, meint Luisa Neubauer, fast ein bisschen genervt. Die Klimakrise betreffe alle und die Fakten lägen auf dem Tisch.
Betrogene Generation
Luisa Neubauer wirkt zurückhaltend, ernst. Nur zwischendurch huscht ein Lächeln über ihr Gesicht. Sie ist besorgt über die Zukunft des Planeten und wütend, dass die Regierungen nicht ambitionierter gegen den Klimawandel vorgehen.
Ihre Generation fühle sich um ihre Zukunft betrogen, betont sie. Eine kürzlich im Fachblatt The Lancet erschienene Studie gibt ihr recht: von 10'000 befragten jungen Menschen zwischen 15 und 25 Jahren teilen drei Viertel diese Angst und diese Wut. Diese «Klima-Angst» mache viele einsam, heisst es in der Studie. Luisa Neubauer weiss, wovon die Rede ist. Wer rational über den Klimawandel nachdenke, der oder dem werde klar, dass sich ganz schnell ganz viele Dinge ändern müssten.
Und dann läuft man durch den Alltag. Und sieht, wie immer noch die Mehrheit der Menschen einfach weitermacht, als wäre nichts.
Wenn junge Menschen in Gesprächen mit Eltern und Lehrerinnen komisch angeguckt würden, weil sie sich Sorgen machen, um das, was doch offensichtlich sei, dann irritiere das. Da fühlten sich viele einsam.
Sorge und Wut – kein «Psychospinn»
Dabei sei diese Klima-Angst nicht irgendso ein «Psychospinn», sondern im Grunde die natürlichste Reaktion auf den fortschreitenden Klimawandel. Die erwähnte Studie sei auch wichtig, weil sie zeige, dass fast die Hälfte der jungen Menschen von der Angst ums Klima in ihrem Alltag behindert würden – Ess-, Konzentrations- oder Schlafstörungen seien die Folge.
Luisa Neubauer spricht schnell und eindringlich. Fast schon laut wird sie auf die Frage, ob Klimastreiks denn das einzig richtige Mittel seien gegen den Klimawandel, ob junge Menschen nicht konstruktiver an Lösungen mitarbeiten könnten. Die Klimastreiks seien konstruktiv, denn der nötige Wandel sei nur möglich, wenn die Menschen sensibilisiert würden:
Weil Regierungen das oft nicht tun, weil es Medien oft nicht tun, machen wir es eben. Und das machen wir unter anderem durch unsere Streiks.
Luisa Neubauer ist überzeugt, dass dies der Klimastreik-Bewegung schon verschiedentlich gelungen ist. Ohne den Druck der jungen Menschen wäre ihrer Meinung nach das Pariser Klimaabkommen kaum zustande gekommen und die Fortschritte seither wären – so ungenügend sie seien – nicht erfolgt.
Sie kritisiert offen und ohne Tabu
In Deutschland gilt Luisa Neubauer als das Gesicht der Klimastreik-Bewegung. Sie war vorne mit dabei, als Protestierende wochenlang den Hambacher Forst blockierten, wo der Energiekonzern RWE nach Kohle graben wollte und schliesslich aufgab. Sie steht an Generalversammlungen von Unternehmen auf und kritisiert deren klimaschädliches Verhalten offen und ohne Tabu.
Der Chef des Industriekonzerns Siemens soll ihr gar einen Sitz im Verwaltungsrat angeboten haben, nachdem sie den Konzern wegen seiner Beteiligung am Bau einer Kohlemine in Australien hart kritisiert hatte. Sie habe dankend abgelehnt, weil sie andernorts mehr bewirken könne.
Und wirken will Luisa Neubauer weiterhin. Sie kann nicht anders.