Nun findet das Treffen der beiden Präsidenten statt. Endlich, in den Augen Selenskis. Denn der US-amerikanische Präsident Biden hat das Treffen bereits zweimal verschoben. Biden zeigt damit klar: Er hat andere Prioritäten, beispielsweise Afghanistan. Für die Ukraine ist das kein gutes Zeichen, denn sie sind auf die Unterstützung der USA im Konflikt mit Russland angewiesen.
Angespanntes Verhältnis
Bereits in den letzten Monaten sei das amerikanisch-ukrainische Verhältnis nicht einfach gewesen, so Russlandkorrespondent David Nauer. Die Ukraine habe einige Enttäuschungen erlebt mit Washington. Zum Beispiel, was die Nord Stream 2 angeht. Biden hat den Widerstand gegen diese aufgegeben.
Dazu kommen atmosphärische Probleme. So sei man in Kiew vor einigen Wochen verärgert über eine Aussage Bidens gewesen. Bevor er nämlich zu einem Nato-Beitritt der Ukraine stehen könne, müsse man dort zuerst mit der Korruption aufräumen.
Für einen Nato-Beitritt sieht Nauer in absehbarer Zeit keine Chancen. Biden habe sich zwar am Dienstag für einen Beitritt der Ukraine ausgesprochen. Aber zu den Prinzipien der Nato gehört, dass kein Land aufgenommen wird, das einen ungelösten Territorialkonflikt hat. Die Ukraine hat mit der Krim und der Ostukraine gleich zwei solche Konflikte.
Auch das Veto aus Moskau spiele eine Rolle, sagt der Russlandkorrespondent. «Das würde einen wirklich heftigen Konflikt, vielleicht sogar einen Krieg mit Russland auslösen. Das Risiko ist so hoch, dass viele Nato-Staaten nicht bereit sind, einen solchen Schritt zu tun.»
Die Vergangenheit hat der Ukraine gezeigt, dass die USA keine einfachen Verbündeten sind. Man denke an die Ukraine-Affäre. «Je nach Präsident und je nach Verbündeten springen die USA so oder so um», so Nauer. Tatsache ist jedoch: Die Ukraine braucht die USA gegen die Bedrohung aus Russland. Und die Ukraine kann sich nicht 100 Prozent auf die USA verlassen.
Trotz allem setzt Selenski Hoffnung in das Treffen, hat Erwartungen. Was er will, sei Hardware – Waffen – und Software – politische Unterstützung, so David Nauer. Im Angesicht der russischen Bedrohung müsse Selenski militärisch aufrüsten. Dazu braucht er Geld. Und die Amerikaner sind offenbar auch bereit, dieses zur Verfügung zu stellen. Die Rede ist von 60 Millionen Dollar.
Die Ukraine brauche auch diplomatische Rückendeckung der USA, was die Ostukraine und die Nord Stream 2 angehe. «Die Ukrainer wollen eine Art Kompensation für diese Pipeline. Sie wollen, dass die Amerikaner sich hinstellen und sagen, ‹wir stehen für die Energiesicherheit der Ukraine ein und dafür, dass Russland Energie nicht gegen die Ukraine als Waffe verwendet›.»
Geld, Waffen, Zusicherungen
Rein die Tatsache, dass das Treffen stattfindet, sei als Erfolg für Selenski zu deuten. Denn er habe lange gewartet, sagt der Russlandkorrespondent. «Noch besser wird es für ihn, wenn er möglichst viel nach Hause mitbringen kann: Zusagen für Finanzhilfen, für Waffenlieferungen, politisch.»
So entstünde nämlich der Eindruck, dass die USA eisern hinter der Ukraine stehe. In Moskau würde man das registrieren. «Das wäre gut für Selenski und gut für die Ukraine.»