Die Balkanroute bot auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise verstörende, ja unmenschliche Bilder. Hunderttausende Menschen drängten vor fünf Jahren nach Europa, verzweifelt und mittellos; während die EU an der Frage zu zerbrechen drohte, was mit den Migranten und Flüchtlingen zu tun sei.
Seither wurden auf dem Westbalkan Zäune gegen unkontrollierte Zuwanderung hochgezogen und ständig erweitert. Mit dramatischen Folgen für die Geflüchteten.
Walter Müller, langjähriger Südosteuropa-Korrespondent von SRF, weiss um das Elend der Menschen auf der Balkanroute. Manche kämpfen sich zu Fuss, andere mit den Diensten von Schleppern weiter – ein gefährliches Unterfangen: «Allein im Juli vermeldete die nordmazedonische Polizei drei schwere Unfälle. In einem Fall krachte ein mit Flüchtlingen vollgepackter Minibus frontal in einen entgegenkommenden Lastwagen.»
Gestrandet im Niemandsland
Weiter nördlich bereitet sich das Nachbarland Serbien auf die Ankömmlinge vor. Täglich erreichen im Schnitt 30 Migrantinnen und Migranten die Grenze. Im Preševo-Tal werden derzeit Fundamente für einen neuen Grenzzaun gelegt. Die zuständigen Behörden in der Hauptstadt Belgrad wollen dazu keine Stellung nehmen.
Der Gemeindepräsident der Kleinstadt Preševo liess Brisantes verlauten. «Er vermutete, dass der Grenzzaun Bedingung für den EU-Beitritt Serbiens sei», berichtet Müller. Die EU-Kommission in Brüssel stritt das aber vehement ab.
Aus einem Gespräch mit einem Flüchtlingshelfer in Belgrad weiss Balkan-Experte Müller: Im sogenannten «Flüchtlingsmanagement» entfalten Zäune kaum Wirkung. Die Menschen würden lediglich in die Hände von Schleppern und kriminellen Organisationen getrieben. «Der Helfer sagte mir, dass dadurch nur der Menschenhandel befeuert werde, der inzwischen mehr einbringe als der Drogenhandel.»
Abertausende Geflüchtete sind derzeit irgendwo auf der Balkanroute gestrandet. Besonders in Bosnien-Herzegowina sei die Situation katastrophal, so Müller. «Das Land ist mit den Flüchtlingen im Norden an der Grenze zu Kroatien völlig überfordert.»
Bosnien-Herzegowina und Serbien teilen eine Befürchtung: Sie wollen kein Auffangbecken für Migranten sein, die am Übertritt in die EU gehindert werden. «Denn die Nachbarländer Kroatien, Rumänien und Ungarn stossen die Migranten immer wieder zurück – oft mit Gewalt.»
Flüchtlinge auf offenem Meer ausgesetzt
Wer es auf die gefährliche Route über den Westbalkan schafft, kam vorher oft über das Mittelmeer nach Griechenland. Und von dort gab es zuletzt drastische Berichte: Ganze Flüchtlingsgruppen wurden mitten in der Nacht in Schlauchbooten auf dem offenen Meer ausgesetzt. Offenbar eine neue Methode der griechischen Behörden, um Migranten loszuwerden. Oder erst gar nicht ins Land zu lassen.
Rodothea Seralidou glaubt, dass die «Push-Back»-Aktionen System haben. «Die Berichte häufen sich seit März. Damals kündigte die Türkei an, die Grenzen für Flüchtlinge zu öffnen – Griechenland reagierte mit verschärfter Grenzpolitik und mobilisierte das Militär und die Küstenwache», so die Journalistin in Athen. Seitdem würden offiziell kaum noch Migranten die griechische Küste erreichen.
Die Regierung in Athen streitet die Vorwürfe ab – diese seien ein Versuch der Türkei, Griechenland zu destabilisieren. Die Beziehungen der beiden Länder sind wegen des Streits um Gasvorkommen im Mittelmeer am Tiefpunkt.