Vor dem Büro der Organisation Palestinian Prisoners Society in Ramallah, im besetzten Westjordanland, spielen ein paar Kinder Fussball. Ein schmerzhaftes Bild für Abdelmuti Rifai, der um seinen ältesten Sohn Asef trauert. Dieser starb am 29. Februar in der israelischen Gefängnisklinik Ramla. Er war 22.
«Asef hatte keine Kindheit. Mit vierzehneinhalb Jahren verhaftete ihn die israelische Armee zum ersten Mal: ohne Anklage. Sie liess ihn wieder frei. Mit 15 und mit 17 dasselbe. Ende 2022 wurde mein Sohn zum vierten Mal verhaftet.»
Einen Grund für die Verhaftung des krebskranken Asef nannten die israelischen Behörden nicht. Monatelang hätten diese ihm die ärztliche Behandlung und Medikamente verweigert. Ab dem 7. Oktober habe er von seinem Sohn zunächst gar nichts mehr gehört, sagt der Vater. Nicht einmal sein Anwalt habe ihn besuchen dürfen.
«Wir wissen nicht, wie es unseren Kindern geht: Sind sie am Leben? Oder tot? Sie sagen uns nichts.» Wie Asef genau gestorben ist, weiss der Vater nicht. Seine Leiche haben ihm die Gefängnisbehörden bis heute nicht übergeben.
Israelische Anwältinnen und Anwälte erkämpften sich in den Monaten nach dem 7. Oktober das Besuchsrecht von Gefangenen vor Gericht. Und so weiss Rifai, dass sein Sohn schliesslich Chemotherapie machen durfte. «Im Militärspital gaben sie ihm die Chemo-Dosis, dann brachten sie ihn sofort wieder, in Hand- und Fussfesseln, zurück ins Gefängnis.»
Die Haftbedingungen für palästinensische Gefangene in Israel hätten sich seit dem 7. Oktober massiv verschlechtert, sagt Amani Samaneh von der palästinensischen Menschenrechtsorganisation Palestinian Prisoners Society. «Wir wissen von über 9000 Gefangenen; die meisten von ihnen sind ohne Grund oder Anklage festgenommen worden. Dreizehn Gefangene sind im Gefängnis gestorben, und das sind nur die Fälle, welche wir dokumentieren konnten.»
Zunahme von Folter
Besorgt zeigt sich Samaneh über eine Zunahme von Berichten über Folter. Palästinensische Gefangene, die schon vor Jahren einmal verhaftet und dann wieder freigelassen wurden, und jetzt wieder im Gefängnis sassen, bestätigen ihre Sorge. «Folter hat offensichtlich zugenommen und ist von einer Grausamkeit, wie wir sie in den letzten Jahrzehnten nicht gesehen haben. Das zeigen sogar Videos von israelischen Soldaten und Behörden.»
Offiziell nehmen die israelischen Behörden dazu keine Stellung, oder sagen höchstens: Es handle sich dabei um Einzelfälle. Systematische Folter gebe es nicht. Die Videos sind verstörend. Sie zeigen nackt gefesselte Gefangene, die erniedrigt und geschlagen werden, auch, wenn sie verwundet sind.
Keine Informationen zu Gefangenen in Gaza
Anwälte und freigelassene Gefangene bezeugen, dass sich Frauen und Männer in den komplett überfüllten Gefängnissen nicht waschen dürften und zu wenig zu essen bekämen. Solche Berichte dokumentieren, kann Amani Samaneh nur im besetzten Westjordanland. «Über die Gefangenen in Gaza haben wir überhaupt keine Informationen: Sie sind einfach verschwunden.»
Abdelmuti Rifai weiss wenigstens, dass sein Sohn tot ist. Beerdigen kann er ihn nicht. «Warum geben sie mir seine Leiche nicht?» Solange die Hamas die israelischen Geiseln nicht freilässt, und selbst Leichen getöteter Israelis nicht herausgibt, wird der Vater seinen Sohn sicher nicht beerdigen können. Wie genau Asef gestorben ist, wird er vielleicht nie erfahren.