Acht Stunden lang berieten die EU-Staats- und Regierungschefs den Brexit, nur zweieinhalb Stunden blieben für das andere grosse Thema des EU-Gipfels in Brüssel: China. Noch immer schenkt die EU einer der grössten aussenpolitischen Herausforderung wenig Aufmerksamkeit. Vor lauter Brexit, Putin und Trump hat sie sich bisher kaum mit dem Aufstieg Chinas zur wirtschaftlichen und politischen Weltmacht auseinandergesetzt.
Kürzlich hat die EU-Kommission von Jean-Claude Juncker einen Zehn-Punkte-Plan vorgelegt. Eine der Kernforderungen: Gegenseitigkeit und gleiche Wettbewerbsbedingungen. Während zum Beispiel chinesische Staatskonzerne eine europäische Firma nach der anderen kaufen dürfen, sind europäische Investitionen in China oft nicht möglich.
Mehr Technik gegen weniger Kritik
Der chinesische Konzern Huawei will den Europäern die Technik für die neuen 5G-Mobilfunknetze verkaufen. In der Schweiz geht ein solches Netz demnächst an den Start. In vielen EU-Staaten wird darüber gestritten, ob eine zentrale Infrastruktur wie der Mobilfunk mit Technik aus einem kommunistischen Überwachungsstaat betrieben werden darf.
Für Unmut sorgen in Europa auch die Versuche Chinas, als Geldgeber die Wissenschaft und das Kulturschaffen in Europa zu beeinflussen. Dadurch, so die Kritik, würden unliebsame Debatten – etwa über Tibet, Taiwan und Menschenrechte – unterbunden und das Image der Volksrepublik aufpoliert.
China spaltet die EU
Doch während EU-Länder wie Deutschland, Frankreich und Grossbritannien vor China warnen, öffnen andere den Chinesen Tür und Tor. Noch während die EU-Chefs in Brüssel tagten, empfing der italienische Staatspräsident Sergio Mattarella in Rom seinen chinesischen Amtskollegen Xi Jinping, um eine italienisch-chinesische Absichtserklärung zu unterzeichnen. Daran habe sie «erst einmal nichts zu kritisieren», bemerkte die deutsche Kanzerlin Angela Merkel lakonisch, aber es wäre «noch besser, wenn man einheitlich agiert».
Ein frommer Wunsch. Denn China nimmt Einfluss und spaltet die EU. In Italien, aber auch in anderen süd- und osteuropäischen Staaten sind die Investitionen aus Fernost hochwillkommen. Und das wiederum stimmt die dortigen Regierungen milde, wenn es darum geht, China zu kritisieren.
Griechenland schwächt Kritik ab
2016 kaufte die chinesische Staatsreederei Cosco Griechenlands grössten Containerhafen in Piräus. Er ist Teil der neuen Seidenstrasse, einem Wirtschaftskorridor zwischen China und Europa, auf dem die Volksrepublik mehrere Billionen Dollar in Häfen, Strassen, Bahnstrecken und Fabriken investiert. Derweil sorgte die griechische Regierung innerhalb der EU immer wieder dafür, dass Kritik an China abgeschwächt wurde.
Am kommenden Dienstag trifft Chinas starker Mann Xi Jinping in Paris EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, am 9. April ist Ministerpräsident Li Keqiang zu Gast bei Juncker und EU-Ratspräsident Donald Tusk in Brüssel. Die grösste Herausforderung der EU-Präsidenten wird darin bestehen, die eigenen Reihen zu schliessen.