Am muntersten wirkten die 29 Staats- und Regierungschefs beim Empfang im Buckingham-Palast zum 70. Geburtstag der Allianz. Im royalen Glanz von Königin Elizabeth sonnten sich alle gern.
Davor und danach war der Nato-Gipfel von Spannungen geprägt, von gegenseitigen Angriffen und sogar von einer Drohung. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte nämlich angekündigt, gemeinsame Gipfelbeschlüsse abzulehnen, falls die Nato-Partner nicht die syrischen Kurden als Terroristen bezeichnen und die Türkei bei ihrem Vormarsch in Nordsyrien unterstützen würden.
Damit hätte Erdogan verhindert, dass die Allianz ihre Planung für den Fall eines russischen Angriffs auf das Baltikum und Polen weiterentwickelt. Was wiederum das oberste Nato-Prinzip «ein Angriff auf ein Mitglied ist ein Angriff auf alle» ausgehöhlt hätte. Am Ende krebste der türkische Machthaber zurück. Vermutlich sah er ein, dass seine Forderung chancenlos war.
Wenig Neues in der Gipfelerklärung
Die Gipfelerklärung, die daher doch noch verabschiedet werden konnte, fällt allerdings dünn aus. Alte Positionen werden wiederholt, neue bloss vage formuliert: Etwa, dass die Nato das Weltall zum neuen Operationsraum erklärt – bloss was sie dort genau soll, bleibt nebulös. Oder dass China erstmals als mögliche militärische Bedrohung genannt wird – doch ohne, dass die Nato sagt, wie sie damit umgehen will.
Gestärkt wurde hingegen die bisher recht träge Krisenbereitschaft: Künftig sollen 30 Bataillone, 30 Kriegsschiffe und 300 Kampfflugzeuge innerhalb von maximal 30 Tagen einsatzbereit sein.
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg beharrt daher zu Recht darauf, dass die Nato zwar politisch gebeutelt dasteht, jedoch militärisch gut funktioniert und erheblich stärker ist als noch vor fünf Jahren. Auch dank hunderten von Milliarden Franken an zusätzlichen Verteidigungsausgaben. Ihren militärischen Auftrag kann die Nato also erfüllen, das Wichtigste übersteht den politischen Sturm.
Grundsatzdebatte auf später verschoben
Hingegen wussten die Gipfelteilnehmer offenkundig nicht, wie sie mit der Fundamentalkritik des französischen Präsidenten Emmanuel Macron an der angeblich «hirntoten» Nato umgehen sollen.
Selber mochten sie sich der geforderten Grundsatzdebatte nicht stellen. Also beschlossen sie, mit klugen strategischen Köpfen einen Reflexionsprozess einzuleiten, angeführt vom Nato-Generalsekretär. Irgendwann sollen der Rezepte für mehr politische Einigkeit liefern.
Weil sich aber Macron Nato-intern mit seiner Kritik zum Buhmann machte, gibt nun ausgerechnet US-Präsident Donald Trump diese Rolle auf. Und mutiert fast über Nacht zum glühenden Nato-Befürworter.
Differenzen nicht überwunden
Wie lange das Bündnisfeuer bei ihm anhält, weiss niemand. Doch der Nato-Führung kann es recht sein, wenn der mächtigste Mann ihres mächtigsten Mitglieds nicht länger querschiesst.
Doch grosse Fragen bleiben vorläufig ungelöst, Differenzen sind nicht überwunden. Das Bündnis plant deshalb vorsichtshalber für 2020 keinen Gipfel ein, auf dem dem Feind erneut Zerrissenheit vorgeführt würde. Erst 2021 will man sich wieder auf oberster Ebene treffen.