- Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat den Zustand der Nato mit drastischen Worten kritisiert.
- Das Verteidigungsbündnis sei «hirntot», sagte Macron gegenüber dem britischen Wirtschaftsmagazin «Economist».
- Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg widersprechen dem französischen Präsidenten vehement.
Es gebe bei strategischen Entscheidungen keine Koordinierung zwischen den Nato-Ländern und den USA. «Wir sind Zeugen eines Angriffs eines anderen Nato-Partners, der Türkei, ohne Abstimmung, in einer Region, in der unsere Interessen auf dem Spiel stehen», sagte Macron zur türkischen Militäroffensive in Nordsyrien, die von Nato-Verbündeten massiv kritisiert worden war.
Macron warnte zudem die europäischen Länder, dass diese sich nicht mehr auf die USA verlassen könnten. In dem Gespräch, das nach Angaben des Magazins bereits Ende Oktober geführt wurde, zweifelt Macron offen an, ob ein Angriff auf ein Nato-Mitglied heute als Angriff auf alle betrachtet würde.
Merkel kritisiert Macrons Äusserungen
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat den Vorwurf des französischen Präsidenten mit deutlichen Worten zurückgewiesen. «Diese Sichtweise entspricht nicht meiner.» Macron habe «drastische Worte» gewählt, ein solcher Rundumschlag sei aber nicht nötig, auch wenn sich die Nato-Partner zusammenraufen müssten. Es gebe zudem viele
Bereiche, in denen die Nato gut arbeite. «Das alles sollten wir
pflegen, weiterentwickeln und da, wo es nicht klappt, vorangehen.»
«Europa muss sein Schicksal etwas mehr in die eigenen Hände nehmen, aber das transatlantische Bündnis ist unabdingbar», sagte Merkel am Rande eines Besuchs von Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg in Berlin.
Für Stoltenberg ist die Nato stark, wie er erklärte. «Die Nato hat ihre kollektive Sicherheit vorangetrieben». Aber jeder Versuch, Europa von Amerika zu entfernen, gefährde auch die EU. Man müsse zusammenarbeiten und die Nato weiter stärken.
Operativ funktioniere die Zusammenarbeit zwar gut, sagte Macron. Die Nato müsse im Lichte des Engagements der Vereinigten Staaten aber neu bewertet werden. Europa stehe am Rande des Abgrunds und laufe Gefahr, nicht mehr selbst über sein Schicksal bestimmen zu können. Es müsse aufwachen und sich selbst mehr um seine eigene Verteidigung kümmern.