Das anstehende Gipfeltreffen der Präsidenten der USA und Russlands in Genf erfordert ein selten gesehenes Sicherheitsaufgebot. SRF hat in Brüssel mit dem ehemaligen Schweizer Geheimdienstmitarbeiter Jacques Baud über zentrale Elemente des Sicherheitsdispositivs gesprochen.
SRF News: Was ist die besondere Herausforderung für Genf bei diesem Gipfeltreffen?
Jacques Baud: Genf muss seine Glaubwürdigkeit beweisen als Stadt, die in der Lage ist, solche wichtigen internationalen Treffen organisieren zu können. So wie das zum Beispiel beim Treffen Reagan und Gorbatschow vor 35 Jahren der Fall war. Die Herausforderung für Genf ist es, dieses Niveau bei der Organisation eines solchen Treffens zu halten, aber mit der sehr veränderten Anforderung in einer weit weniger disziplinierten Welt als damals.
Was hat sich am stärksten verändert bei der Sicherheitslage im Vergleich zu früher?
Die grösste Angst besteht vor dem Terrorismus, wenn sie auch manchmal etwas irrationale Proportionen annimmt. Seit den Terroranschlägen in den USA 2001 ist vor allem auch das Risiko von Angriffen aus der Luft hinzugekommen. Die Bedrohungen sind vielfältiger geworden und darum sind auch die Sicherheitsdispositive stärker ausgebaut worden mit dem Einsatz der Armee, Kampfflugzeugen und Einschränkungen im Luftverkehr.
Haben die Sicherheitsmassnahmen nur darum so enorm zugenommen?
Etwas ist noch dazugekommen: Wir stecken zwar nicht mehr im Kalten Krieg West gegen Ost, aber es gibt immer noch diesen Wettstreit zwischen den USA und Russland. Die USA, die um ihren Platz als führende westliche Macht kämpft und Russland, das als Grossmacht anerkannt werden will. Darum will jedes Land natürlich die Risiken für ihre Präsidenten klein halten. Man will aber auch die Wichtigkeit dieser Personen zeigen. Darum wird auch versucht, sich mit den Mitteln für die Sicherheit auf beiden Seiten gewissermassen zu überbieten.
Man will aber auch die Wichtigkeit dieser Präsidenten zeigen.
In Genf müssen die Sicherheitskonzepte von drei Staaten angeglichen werden. Wer hat am Ende das letzte Wort?
Formal ist es die Schweiz, weil sie ein souveräner Staat ist und der Gipfel auf ihrem Territorium stattfindet. Doch in der Realität kann die Schweiz nicht alleine entscheiden. Die Sicherheitsvorgaben der USA und Russlands werden in jede Entscheidung der Schweiz einfliessen und berücksichtigt werden. Die Amerikaner gehen nicht das erste Mal mit ihrem Präsidenten ins oft wesentlich gefährlichere Ausland. Darum sind ihre Anforderungen besonders strikt. Das gleiche gilt auch für Russland.
Was ist in Genf hinsichtlich der Sicherheitsansprüche der USA zu erwarten?
Für den Schutz des US-Präsidenten etwa bei der Eröffnung der UNO-Generalversammlung in New York bietet der US Secret Service rund 20'000 Personen für die Sicherheit auf – auf eigenem Territorium! Oder Präsident Obama ist zu den Gedenkfeiern zehn Jahre nach 9/11 in New York in einem Konvoi mit 40 gepanzerten Fahrzeugen und bewaffneten Sicherheitskräften vorgefahren.
Diese Leute haben eine Obsession für Sicherheit um jeden Preis.
Der Secret Service hat dafür enorme Mittel zur Verfügung und ist eine kleine Armee für die Sicherheit des Präsidenten. Deren Anforderungen sind fast unglaublich. Diese Leute haben eine Obsession für Sicherheit um jeden Preis. Wenn der Konvoi des Präsidenten in New York vorbeifährt, wird mit einem mitfahrenden Störsender auch jede Mobiltelefonverbindung unterbrochen.
Da gibt es doch die besondere Ausstattung der Präsidenten-Limousine.
Allerdings. Der Motor des Fahrzeugs mit dem US-Präsidenten ist stark geschützt, die Reifen sind nicht zerstörbar und haben mehrere Schichten und können so immer wieder aufgeblasen werden. Im Innern des Fahrzeugs gibt es eine Kabine mit einem Sauerstoffgerät, das im Falle eines chemischen Angriffs die Passagiere mit Sauerstoff versorgt. Weil sich die Präsidenten in Genf aber voraussichtlich per Helikopter bewegen werden, bringen die Amerikaner wohl ihre eigenen Helikopter mit, ausgerüstet mit Flugabwehrraketen oder auch Funkstörsendern.
Mit welchen Sicherheitsvorkehrungen wird Russland Präsident Wladimir Putin schützen?
Aus früheren Erfahrungen kann man sagen, dass das russische Sicherheitsdispositiv weniger stark sichtbar sein wird im Vergleich zu dem der USA. Die russischen Nachrichtendienste sind mindestens so wirkungsvoll, aber effizienter und pragmatischer. Sie benötigen weniger Mittel und sind bei der Analyse von Bedrohungen präziser als die Amerikaner. Darum können sie es sich auch erlauben, dass ihr Sicherheitsdispositiv um den Präsidenten viel weniger sichtbar ist.
Das Gespräch führte Michael Rauchenstein.