Darum geht es: Kremlchef Wladimir Putin und der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan treffen heute Irans Präsident Ebrahim Raisi. Bei dem Gipfel in der iranischen Hauptstadt Teheran geht es offiziellen Angaben zufolge um eine Verbesserung der Lage in Syrien. Iran, Russland und die Türkei sind die am stärksten involvierten ausländischen Mächte in dem Bürgerkriegsland. Russland und Iran unterstützen die syrische Regierung, die Türkei dagegen ist mit der Opposition verbündet.
Das heisst es aus Moskau: Nach Kremlangaben geht es bei dem Treffen nicht ausschliesslich um Syrien, sondern um eine ganze Reihe von Fragen zur internationalen Politik, so auch um den Krieg in der Ukraine. Es ist die zweite offiziell bekannte Auslandsreise von Machthaber Wladimir Putin seit Russlands Einmarsch in die Ukraine Ende Februar.
Das Nato-Land Türkei wiederum unterhält sowohl zu Moskau als auch zu Kiew enge Beziehungen und trat zuletzt als Vermittler zwischen beiden Ländern im Streit um in der Ukraine blockierte Getreide-Exporte auf.
Das sind Irans Interessen: Sowohl Teheran als auch Moskau unterstützen in Syrien das Assad-Regime militärisch, es dürfte hier also einiges zu besprechen geben. Ausserdem hilft ein solches Treffen beiden Regimen «Normalität» zu zelebrieren – trotz des russischen Angriffskriegs in der Ukraine.
«Das Treffen unterläuft die Vorstellung, dass Russland isoliert sei – das gilt auch für Iran», sagt SRF-Nahostkenner Philipp Scholkmann. Beiden gehe es um den «Kampf gegen einen moralisch zersetzten, dekadenten Westen», und so werde auch die militärische Einmischung in der Nachbarschaft – im Fall Moskaus in der Ukraine und im Fall Iran in Syrien – begründet.
Moskau und Teheran behaupten, es gehe ihnen um den Kampf gegen einen moralisch zersetzten, dekadenten Westen.
Das will die Türkei: Präsident Erdogan denkt seit Monaten laut über eine neue Offensive seiner Armee im Norden Syriens nach – er will damit gegen die Kurden der YPG vorgehen. ARD-Korrespondentin Karin Senz in Istanbul sagt: «Erdogan will sich von Putin möglicherweise das Ok für seine Offensive holen.» Weil Russland den Luftraum über Syrien kontrolliere, brauche Erdogan die Zustimmung Putins für seine Pläne.
Erdogan möchte in Nordsyrien an der Grenze zur Türkei seit Jahren eine rund 30 Kilometer breite «Sicherheitszone» einrichten und so die Kurden zurückdrängen. «Zudem steht Erdogan innenpolitisch unter massivem Druck – Kritiker sagen, er nütze die Situation aus, um die Reihen hinter sich zu schliessen», sagt Senz.
Das ist die Situation in Syrien: «Die Wirtschaftslage verschlechtert sich immer noch mehr, die Inflationsrate liegt bei 140 Prozent», sagt die Syrerin Salam Said. Sie beschäftigt sich bei der deutschen Friedrich-Ebert-Stiftung mit ihrem Heimatland. Said befürchtet, dass es beim Gipfeltreffen in Teheran nicht wirklich um die Interessen der Menschen in Syrien geht: «Es geht Russland, Iran und der Türkei um die Machtaufteilung in Syrien.»
Helfen würde den Syrerinnen und Syrern dagegen, wenn sich die drei Kriegsparteien dazu verpflichten würden, jegliche militärischen Operationen im Land einzustellen – was aber kaum der Fall sein werde, befürchtet Said. «Die Menschen in Syrien haben keine Hoffnung mehr – wer kann, will nur noch weg aus dem Land.»