UNO-Nothilfe läuft aus - Hilfsorganisationen befürchten schwere Hungersnot in Syrien

• Das UNO-Mandat für humanitäre Nothilfe in der syrischen Provinz Idlib läuft heute Sonntag aus.
• Russland hat im UNO-Sicherheitsrat dafür gesorgt, dass das Mandat nicht für ein weiteres Jahr verlängert wird.
• Hilfsorganisationen warnen deshalb vor einer schlimmen Hungerkrise.

Nach der gescheiterten Einigung im UNO-Sicherheitsrat über die Fortsetzung humanitärer Hilfe für notleidende Menschen in Syrien schlagen Hilfsorganisationen Alarm.

Die schlimmste Hungerkrise seit Beginn des Konflikts vor mehr als elf Jahren bedrohe das Leben von Millionen Menschen, erklärte der Präsident der Organisation International Rescue Committee (IRC), David Miliband. Die Syrien-Direktorin der Deutschen Welthungerhilfe, Else Kirk, warnte am Samstag, eine neue UNO-Resolution sei unerlässlich, damit Millionen von Menschen wichtige humanitäre Hilfe bekommen könnten.

Der Generalsekretär des Norwegian Refugee Council (NRC), Jan Egeland, twitterte, ohne grünes Licht für grenzüberschreitende Hilfe werde das Leiden der ohnehin schon erschöpften Bevölkerung grenzenlos sein. Weiter schrieb er: «Unglaublich unverantwortliches russisches Veto gegen die norwegische/irische Resolution.» Die Hilfsorganisation «Save the Children» warnte, Hunderttausende Kinder wüssten ohne grenzüberschreitende Hilfe nicht, wo ihre nächste Mahlzeit herkomme.

Der UNO-Sicherheitsrat hatte sich zuvor zunächst nicht auf die Fortsetzung grenzüberschreitender humanitärer Hilfe für Millionen von Menschen im Nordwesten des Bürgerkriegslandes einigen können. Bei einer Sitzung legte Russland ein Veto gegen einen von Irland und Norwegen verfassten Resolutionsentwurf ein, der die Fortsetzung des wichtigen Hilfsmechanismus um ein weiteres Jahr vorsah. Eine Gegenresolution von Russland, nach der der Grenzübergang Bab al-Hawa im Nordwesten Syriens zunächst nur für weitere sechs Monate offen bleiben sollte, fand auch keine Zustimmung.

UNO-Resolution läuft aus

Hintergrund ist eine seit 2014 bestehende UNO-Resolution, die am Sonntag planmässig ausläuft. Die Regelung erlaubt es der UNO, wichtige Hilfsgüter über Grenzübergänge auch in Teile des Bürgerkriegslandes zu bringen, die nicht von der Regierung kontrolliert werden. Russland, das die syrische Führung stützt, hatte immer wieder signalisiert, dass es auch den letzten von einst vier Grenzübergängen – Bab al-Hawa im Nordwesten – schliessen möchte. Dann könnte UNO-Hilfe nur noch über die Regierung in Damaskus nach Syrien gelangen.

Idlib, das letzte «Rebellengebiet» in Syrien

Aufständische aus dem halben Land sind im Verlauf des Kriegs nach Idlib geflohen oder wurden dorthin deportiert. Die Bevölkerung von Idlib schwoll so in den letzten Jahren auf über vier Millionen Menschen an. Nur ein Bruchteil kann sich selber versorgen. Das Regime von Präsident Assad kappte die Versorgung und die Lohnzahlungen für das abtrünnige Gebiet und versuchte, Idlib mit Zermürbungsstrategien und wiederkehrenden Bombardierungen in die Knie zu zwingen.

Die Kontrolle über die Provinz hat de facto die sogenannte Hayat Tahrir al-Scham, eine islamistische Rebellengruppe mit dschihadistischer Vergangenheit. Sie bekannte sich einst zum Terrornetzwerk Al-Kaida, gibt sich nun aber gemässigter und steht in Kontakt mit der Türkei. (schp)

Im Nordwesten Syriens leben nach UNO-Angaben rund 4.4 Millionen Menschen. Mehr als die Hälfte von ihnen sind Vertriebene, von denen viele seit Jahren in Lagern wohnen. 4.1 Millionen Menschen in der Region brauchen humanitäre Hilfe. Syrien leidet nicht nur unter den Folgen des Bürgerkriegs, sondern auch unter einer schweren Wirtschaftskrise. Nach UNO-Schätzungen leben mehr 90 Prozent der Menschen unter der Armutsgrenze. Millionen haben zu wenig zu essen.

Die Hilfsorganisationen haben Notvorräte für drei Monate über die Grenze geschafft, für den Fall, dass nicht doch noch ein Kompromiss gefunden und der Grenzübergang für die UNO-Hilfe nach Idlib tatsächlich geschlossen wird.