Ohne Mikrochips fährt kein modernes Auto, serviert keine Maschine frischen Kaffee, mäht kein Roboter den Rasen und auch telefonieren ist unmöglich. Doch Computerchips sind Mangelware. Viele Firmen warten händeringend auf Nachschub – und der kommt meist aus Asien.
Um die europäische Wirtschaft unabhängiger von den asiatischen Chip-Produzenten zu machen, will die EU jetzt im grossen Stil die heimische Forschung und Produktion subventionieren – mit 43 Milliarden Euro.
Beispielloses Förderprogramm
Chips für alle in Europa, kündigt Margrethe Vestager an: Um den Mangel an europäischen Mikrochips zu bekämpfen, mobilisiert die EU Milliarden Euro und vier EU-Regierungsmitglieder: die dänische Wettbewerbskommissarin, den französischen Industriekommissar, die Forschungskommissarin aus Bulgarien und natürlich die deutsche Präsidentin der EU-Kommission.
Europa kann in diesem strategischen Wettbewerb nicht länger Abseits stehen.
Dies soll den Eindruck erwecken, dieses beispiellose Förderprogramm sei im europäischen Allgemeininteresse. Ursula von der Leyen hatte es im letzten Herbst angekündigt: Die EU solle nicht mehr nur in der Forschung, sondern auch in der Produktion von Chips international massgeblich sein.
Bloss knapp 10 Prozent der Chips werden heute in der EU hergestellt. Bis in ein paar Jahren sollen es 20 Prozent sein. Handeln sei angesagt, so von der Leyen.
In solche Gebiete hat sich die EU bisher noch nie vorgewagt: Dass künftig EU-Staaten direkt Unternehmen massiv subventionieren können, die in Europa Chips der neusten Generation herstellen wollen. Einzige Bedingung: Sie müssen primär den europäischen Markt bedienen.
Die USA, China, Südkorea haben vergleichbare Programme aufgelegt. «Europa kann in diesem strategischen Wettbewerb nicht länger Abseits stehen», so Industriekommissar Thierry Breton. Die Botschaft sei klar: Europa lasse diesen Zug nicht vorbeifahren.
Schmerzliche Erinnerungen
Der Franzose hat seine Vorstellungen von Industriepolitik im Verbund mit der deutschen Kommissionspräsidentin durchgesetzt – gegen die Wettbewerbskommissarin Vestager. Diese hält eigentlich wenig von staatlicher Planwirtschaft im Hightech-Sektor. Die Mehrheit der Mitglieder der EU-Kommission hatte jedoch wohl noch die schmerzliche Erfahrung vor Augen, als zu Beginn der Pandemie Beatmungsgeräte «Made in Europe» Mangelware waren.
Experten wie Nicolas Poitiers stimmen der Wettbewerbskommissarin aber zu. Ein solches Riesenförderprogramm begünstige die Falschen, meint der Ökonom der liberalen Denkfabrik Bruegel. Nur internationale Grosskonzerne hätten die Mittel, entsprechende Förderanträge zu stellen. Und nur grosse, wirtschaftlich starke Länder könnten überhaupt solche Steuergeschenke gewähren.
Kleinere Unternehmen und die Mehrheit der kleinen EU-Staaten gingen leer aus, so Poitiers: «Grosse Staaten wie Frankreich und Deutschland kaufen sich in diese Hightech-Branche ein, obwohl so sie ohnehin Standortvorteile haben.»
Der Versuch scheiterte schon einmal
Umso wichtiger wäre es, Transparenz darüber zu erhalten, mit welchen Versprechungen Chip-Hersteller angelockt werden. Das wird aber kaum möglich sein, denn das Mikrochip-Förderprogramm ist teilweise von EU-Wettbewerbsregeln ausgenommen.
Ein Blick in die Vergangenheit sollte skeptisch stimmen: Vor neun Jahren lancierte die EU schon einmal ein Förderprogramm mit vergleichbaren Zielen für die Chip-Industrie. Es hat nicht verhindern können, dass Europa heute abhängiger denn je ist – von Produktionskapazitäten in Asien.