Keine drei Wochen ist es her, als wir die Meldung lasen, Kosovo und Serbien hätten ihren Konflikt um Autonummern beigelegt. Nur die grössten Optimisten glaubten daran. Denn der Grund für den Streit bleibt unverändert: Für die serbische Regierung ist Kosovo kein unabhängiger Staat, sondern ein Teil des serbischen Territoriums. Und damit das möglich bleibt, muss der kosovarische Staat scheitern. Deshalb lässt Serbien keine Gelegenheit aus, den Konflikt immer wieder neu aufflammen zu lassen.
Herber Rückschlag
Grund für die jüngste Eskalation sind die Kommunalwahlen. Nötig sind diese, weil sich die Serben in Kosovo im November aus den Gemeinderegierungen zurückzogen – aus Protest gegen die neue Regelung im Autonummern-Streit. Um die Gemeinderäte wieder zu komplettieren, setzt Kosovo Wahlen noch im Dezember an. Die Serben protestieren. Ein serbischer Ex-Polizist greift angeblich ein Wahllokal an. Die kosovarische Polizei verhaftet ihn. Die Serben reagieren mit Strassenblockaden. Es kommt zu einem Schusswechsel.
Kosovo verschiebt daraufhin die Kommunalwahlen auf nächsten April. Für die radikalen Serben ein Erfolg. Für die Entwicklung der Region ein weiterer herber Rückschlag.
Zwischen Entsetzen und Spott
Der serbische Präsident Aleksandar Vucic lässt darauf sogar serbische Panzerfahrzeuge Richtung Kosovo fahren. Er wolle die Nato noch diese Woche anfragen, ob er serbische Truppen im Norden Kosovos stationieren dürfe, sagt er. Vucic weiss natürlich, dass die Nato so etwas nie und nimmer bewilligen wird.
In Kosovo schwankt man zwischen Entsetzen und Spott über so viel Unverfrorenheit. Aber der serbische Autokrat weiss, wie man daheim in Serbien Stimmung macht. Er war während des Kosovo-Krieges Propagandaminister unter Slobodan Milosevic, dem «Schlächter des Balkans».
Putin hätte Freude
Vucics Konvoi ist höchstens ein Säbelrasseln. Denn jenseits der Grenze in Kosovo steht die Nato mit ihren Kfor-Truppen. Seit dem Kosovo-Krieg 1999 hat die Nato dort eine grosse Armeebasis mit 7000 Soldatinnen und Soldaten zum Schutz von Kosovo gegen die Serben. Und einen Kampf gegen diese und ihr modernes Gerät dürfte Serbien kaum riskieren.
Gefallen dürfte die neuerliche Eskalation dagegen Wladimir Putin, dem engsten Verbündeten des serbischen Präsidenten. Dieser hat Interesse, dass die Nato auf dem Balkan beschäftigt ist und sich nicht auf die Unterstützung der Ukraine im Kampf gegen die russische Aggression konzentrieren kann.
Bloss eine Lappalie
Die Eskalation auf dem Balkan dürfte vor allem der kosovarischen Regierung schaden. Ministerpräsident Albin Kurti gerät unter Druck – auch vonseiten seiner Verbündeten.
Er muss sich vorwerfen lassen, wegen einer Lappalie (Autonummern) ein Wiederaufflammen des Konfliktes in Kauf genommen zu haben. Und das zu einem äusserst ungünstigsten Zeitpunkt. Denn die Menschen in Kosovo haben zu Zeiten von Ukraine-Krieg, Teuerung und Energiekrise wesentlich grössere Probleme als die Autonummern ihrer serbischen Mitbürger.