Das US-Militär soll künftig Zugang zu 15 Stützpunkten und Übungsgebieten in Finnland haben. Der US-Aussenminister Blinken und der finnische Verteidigungsminister Antti Häkkänen haben am Montag ein entsprechendes Abkommen unterschrieben. Russland reagierte prompt: Präsident Wladimir Putin kündigte an, man werde jetzt den Leningrader Militärbezirk rund um die Metropole St. Petersburg aufbauen und dort bestimmte Militäreinheiten stationieren. Russlandkenner Stefan Meister mit den wichtigsten Antworten:
SRF News: Wie ist die Ankündigung Putins einzuordnen? Ist das mehr als ein Säbelrasseln?
Stefan Meister: Ich würde schon sagen. Es ist eine neue Einschätzung der Sicherheitssituation an der finnisch-russischen Grenze aus russischer Perspektive. Es ist eine Aufwertung dieser Militärzone oder dieser Region, die verbunden sein wird mit der Stationierung von mehr Truppen und sicher auch von mehr Waffen.
Ich würde nicht behaupten, dass Russland jetzt einen Angriff befürchtet.
Um welches Gebiet handelt es sich bei diesem sogenannten Leningrader Militärbezirk?
Der Leningrader Militärbezirk ist nichts Neues. Er wurde 2010 abgeschafft, weil er mit weiteren Militärbezirken zu einem grösseren zusammengelegt wurde. Jetzt ist es im Prinzip eine Rückkehr zu diesem alten Militärbezirk bei Sankt Petersburg. Es ist ein relativ grosses Gebiet und grob gesprochen die russische Seite der finnischen Grenze.
Wie ändert sich nun die Ausgangslage an der finnisch-russischen Grenze?
Die Ausgangslage hat sich insofern geändert, als Finnland der Nato beigetreten ist und die USA jetzt auch Truppen und Material in Finnland stationieren können – bis hin zu Nuklearwaffen. Wir haben einfach eine ganz andere Präsenz von Nato-Seite und deswegen ist jetzt Russland dabei, seine eigenen Truppen aufzustocken und diesem ganzen Militärbezirk eine grössere Aufmerksamkeit zu widmen.
Was befürchtet Russland denn konkret?
Das ist die Frage. Putin behauptet, die Nato hätte Finnland in die Nato hineingezogen, was nicht stimmt. Russland sieht die Nato letztlich als die grösste Gefahr an und möchte jetzt einfach mehr Massnahmen ergreifen, um abzuschrecken und um reaktionsbereit zu sein. Ich würde nicht behaupten, dass Russland jetzt einen Angriff befürchtet. Das ist auch sehr unwahrscheinlich. Ich gehe auch nicht davon aus, dass Russland in dieser Region jetzt mehr hochprofessionelle Truppen stationieren wird.
Russland hat kein Interesse, die Nato anzugreifen.
Hat Russland überhaupt die militärischen Ressourcen, um diese Aufstockung durchzuführen?
Eben nicht. Wir sehen, dass Russland aus anderen Regionen, aber auch aus dieser Region, seine professionellen Truppen zum grossen Teil durch Wehrpflichtige ersetzt hat, einfach um weiterhin Truppenpräsenz zu haben. In den Regionen, in welchen Russland keine Angriffe erwartet, will man letztlich eher abschrecken, durch Präsenz vor Ort. Dort hat Russland auch nicht wirklich hohe Truppenkontingente und auch nicht die professionellen Truppen, da diese in der Ukraine kämpfen und dort gebraucht werden.
Worauf muss sich Finnland gefasst machen?
Eine höhere Gefahr im Sinne eines militärischen Angriffs oder militärische Provokationen von russischer Seite sind eher unwahrscheinlich. Russland hat kein Interesse, die Nato anzugreifen und neben der Ukraine einen zweiten Konflikt aufzumachen. Ich denke aber, dass Finnland mit noch mehr hybriden Angriffen rechnen muss. Sei es in Form von Flüchtlingswellen oder Angriffen auf die digitale Infrastruktur.
Das Gespräch führte Amir Ali.