Italien hat eben erst wieder die Wucht einer Naturkatastrophe erlebt: Weite Teile Venedigs sind noch immer überschwemmt. Schuld am historischen Hochwasser, so liessen der Bürgermeister von Venedig sowie Italiens Umweltminister verlauten, sei der Klimawandel.
Bei grossen nationalen Demonstrationen mobilisierten wir bereits eine Million Menschen, vor allem junge Leute.
Während Klimawandel und grüne Welle die grünen Parteien in der Schweiz, aber auch in Deutschland oder Österreich zum Erfolg schwemmten, ist die politische Ebene in Italien nicht angekommen.
Keine fossilen Brennstoffe mehr bis 2030
Klimademonstrationen gibt es in Italien aber schon. Beispielsweise in Rom, wo eine Gruppe von jungen Frauen und Männern demonstriert. Auf einem Transparent steht «Stoppt fossile Brennstoffe». «Bis 2030 soll es keine fossilen Brennstoffe mehr geben», fordert der 22-jährige Jacopo, einer von etwa 30 Jugendlichen, die demonstrieren.
Doch eigentlich seien sie viel mehr: «Bei grossen nationalen Demonstrationen haben vor allem junge Leute bereits eine Million Menschen mobilisert – auf über hundert italienischen Plätzen», erklärt Jacopo. Mehr seien es nur in Deutschland gewesen.
Eine Partei, die mich und meine Anliegen vertritt, gibt es nicht.
Die jungen Leute, die heute auf der Strasse sind, fordern vor dem Finanzministerium in Rom, alle Subventionen für fossile Brennstoffe zu stoppen und umweltfreundliche Energie zu fördern.
Systemveränderung anstatt «ein wenig mehr Grün»
Eine Million Umweltbewegte auf italienischen Plätzen, im Parlament – aber keine grünen Sitze. Bei der Wahl ins EU-Parlament im Mai erreichte die Grüne Partei Italiens bescheidene 2.3 Prozent.
Wie erklären sich das die jungen Demonstranten? «Italien tickt politisch anders», sagt die 21-jährige Valentina. Sie nimmt regelmässig an Demonstrationen gegen den Klimawandel teil, habe aber trotzdem noch nie die Grünen gewählt. «Alle Parteien, auch die Grünen, sind von unseren Gedanken und Ideen weit entfernt», sagt sie.
Warum? Weil sie nicht nur ein wenig mehr Grün, sondern das System verändern wolle. Für Valentina heisst das zum Beispiel, dass Bioprodukte auch für sie bezahlbar sein müssten oder dass jene, die Umweltschäden angerichtet hätten, die Schäden selber bezahlen müssten.
Umweltschutz als lokales Phänomen
Auch Vittoria geht regelmässig für den Klimaschutz auf die Strasse. Eine grüne Partei vermisst sie aber ebenfalls nicht. «Wir sprechen nie darüber, uns in einer Partei zu organisieren», sagt Vittoria. Sie fährt fort: «Eine Partei, die mich und meine Anliegen vertritt, gibt es nicht.»
Ich werde dazu gezwungen, mit dem Auto zur Arbeit zu fahren, da der öffentliche Verkehr in Rom nicht funktioniert.
Diese jungen Leute misstrauen der etablierten Politik. Jacopo aber sagt noch etwas anderes: Leute, die sich für die Umwelt einsetzen, würden sich in Italien meist nur lokal organisieren. Jacopo: «Sie wehren sich gegen eine Fabrik oder demonstrieren, wenn ein Fluss nach einem heftigen Regen ihre Häuser überschwemmt hat.» National aber hätten sich diese diversen lokalen Gruppen nie zusammengeschlossen.
Bescheidener öffentlicher Verkehr in Rom
Jene kleine grüne Partei, die es seit 1990 gibt, passt auf der Strasse niemandem. Auch sie habe wenig bewirkt, sagt Valentina und nennt dafür ein Beispiel, das sie direkt betrifft: «Ich werde dazu gezwungen, mit dem Auto zur Arbeit zu fahren, weil der öffentliche Verkehr in Rom nicht funktioniert.»
Dafür machen Valentina und die anderen auf der Strasse in Bausch und Bogen alle Parteien verantwortlich. Auch die Grünen. Kein Wunder dümpelt die Partei bei knapp über zwei Prozent vor sich hin.