Es klang zuerst wie ein Aprilscherz: In Israel hat eine sehr rechte Partei dazu aufgerufen, sich nicht mehr an die UNO-Resolution zum Schutz der Frau und der Gleichstellung der Geschlechter zu halten. Und ausgerechnet der Vertreter einer islamistischen Partei will, dass Juden und Araber erstmals zusammen eine Regierung bilden.
Ein historisches Angebot
Zur besten Sendezeit trat Mansour Abbas, der Chef der islamistischen Ra’am-Partei, vor die Fernsehkameras, bezeichnete sich stolz als arabischer Muslim und israelischer Staatsbürger und verurteilte jegliche Form von politisch, religiös oder nationalistisch motivierter Gewalt.
«Wir müssen Ignoranz und Rassismus bekämpfen, weil sie gefährlich und unerträglich sind», sagte Abbas. Die arabische Bevölkerung in Israel – immerhin zwanzig Prozent der Bevölkerung – müsse endlich in der Regierung vertreten sein. Dabei schloss er selbst die Beteiligung an einer Koalition mit ultra-rechten Parteien unter Premier Benjamin Netanjahu nicht aus. Mansour Abbas stösst damit einen grossen Teil der arabischen Wählerinnen und Wähler vor den Kopf. Denn viele empfinden eine Regierungsbeteiligung als Verrat an den palästinensischen Brüdern und Schwestern in den von Israel besetzten Gebieten.
Zudem hat Netanjahu die arabischen Bürgerinnen und Bürger Israels wiederholt pauschal als Staatsfeinde Israels verunglimpft. Nun ist Netanjahu aber womöglich auf die islamistische Ra’am-Partei angewiesen, um Premier bleiben zu können. Ebenso Netanajhus Gegner, wenn sie einen der ihren als Premier küren wollen. In dieser verzwickten Lage reicht Mansour Abbas beiden die Hand: Als Zeichen seiner Bereitschaft als arabischer Muslim, Hand in Hand mit den jüdischen Parteien zusammen zu regieren. «Es ist Zeit für eine Veränderung», sagte Abbas in seiner Rede.
In einer extremen Parteienlandschaft
Von Arabern in der Regierung will die extreme Rechte in Israel – die bei den Parlamentswahlen im März stark zugelegt hat – gar nichts wissen. Die Ra’am-Partei sei ein Ableger der radikal-islamischen und terroristischen Hamas, sagen Vertreter des «Religiöser Zionismus»-Parteienbündnisses.
Zu den Mitgliedern dieses Bündnisses gehört Itamar Ben-Gvir, ehemaliges Mitglied der terroristischen und längst verbotenen Kach-Bewegung. Ebenfalls Mitglied des Bündnisses ist Avi Maoz von der Noam Partei. Dieser ist ein radikaler Gegner von Frauen- und LGBT-Rechten. In einer Rede am 1. April rief er Israel dazu auf, sich nicht mehr an die UNO-Frauenrechtskonvention CEDAW zu halten: Frauen sollen in Israel nicht vor Gewalt geschützt und auch nicht den Männern gleichgestellt werden.
Solche Extremisten hat Premier Netanjahu im März aktiv ermuntert, kleine Parteien zu bilden und sich aktiv an den Wahlen zu beteiligen, damit er sich eine Regierungsmehrheit sichern kann. Im Vergleich zu diesen extremen Parteien wirkt Mansour Abbas rechtskonservative und religiöse Ra’am-Partei direkt gemässigt und versöhnlich – sie hat sogar ein paar weibliche Mitglieder.
Trotzdem werden sich Netanjahu und seine Gegner schwertun, eine arabische Partei in ihre Regierung zu holen. Auch wenn das – schon wieder – Neuwahlen heisst. Genau das will Mansour Abbas mit seinem historischen Angebot zeigen.