Historisches spielt sich derzeit im kolumbianischen Dschungel ab: Zum ersten mal überhaupt trifft sich in Kolumbien die Farc-Guerilla eine Woche lang – ganz legal und öffentlich, denn auch kolumbianische wie auch internationale Medien sind zur Friedenskonferenz eingeladen worden.
Zentrale Aufgabe der Konferenz ist dabei die Ratifizierung des ausgehandelten Friedensvertrages. Kommenden Montag wird dieser zwischen der kolumbianischen Regierung und der kommunistischen Guerilla unterschrieben.
Ort der Konferenz geheim gehalten
Wo sich der genaue Standort der Konferenz befindet, ist nicht bekannt. Die Farc-Guerilla halten die Lokalität streng geheim. Doch eines steht fest: Während der Konferenz leben tausende Farc-Kämpfer im Dschungel. Irgendwo im Südosten des Landes.
Ein militärischer Tagesablauf strukturiert ihr Leben – auch während der Konferenz. Die meisten tragen eine Kalaschnikow. Neben den 200 stimmberechtigten Farc-Delegierten sind aber auch über 2000 Guerillas an der Konferenz anwesend. Diese freuen sich über ein neues Leben nach der Beilegung der Kämpfe.
Edison tauscht Waffe gegen das Buch
Doch unter die Freude mischt sich auch die Sorge um die eigene Zukunft. So geht es jedenfalls Edison. Er ist 30 Jahre alt und hat seine ganze Jugend in der Farc verbracht. Deshalb kann er auch keine Berufsausbildung vorweisen. Das will er nach dem Friedensabkommen ändern. «Ich will studieren, ich habe nur die Primarschule abgeschlossen. Jetzt kommt die Zeit, in welcher ein Studium wichtig ist. Arzt oder Ingenieur würde ich gerne werden.»
Jetzt kommt die Zeit, in welcher ein Studium wichtig ist. Arzt oder Ingenieur würde ich gerne werden.
Es ist tatsächlich das erste Mal, dass die linksgerichtete Farc bei einer Delegiertenkonferenz nicht über den Kampf gegen die Regierung diskutiert, sondern über Frieden. Die Kämpfer schmieden darum Zukunftspläne – ganz ohne Uniform und Sturmgewehr. Ihre Waffen müssen sie unter Aufsicht von 450 UNO-Beobachtern abgeben. Der 22-Jährige Brajan ist als 14-jähriger der Farc beigetreten. «Ich will weiter kämpfen – ohne Waffen – aber als politische Bewegung. Mein Ziel ist es, andere Leute anzuwerben für unsere Ideologie. Aber es ist gut, dass wir die Waffen abgegeben. Es ist zu viel Blut geflossen mit unseren kolumbianischen Brüdern.»
Das Misstrauen bleibt
Mit diesem letzten Treffen als bewaffnete Organisation, wollen die Farc-Guerillas ihre Umwandlung in eine legale politische Bewegung einleiten. Das ist so vorgeschrieben im Friedensvertrag. Das rufe aber Unsicherheiten hervor, sagt Kommandeur und einer der Farc-Chefs, Jorge Torres Victoria. «Was passiert mit den Paramilitärs? Wird die Regierung, wie versprochen, diese bekämpfen, können sie das erfüllen?»
In den 80er Jahren hat es schon einmal ein Friedensabkommen mit Teilen der Farc gegeben. Kaum entwaffnet, haben rechtsgerichtete Paramilitärs tausende ehemalige Guerillas umgebracht. Das macht die 38-Jährige Farc-Kämpferin Alejandra unsicher. «Ich habe Angst vor den Paramilitärs, weil sie viel Macht haben in Kolumbien. Wir wollen, dass sie zerstört werden von der Regierung. Aber ich habe Angst, dass sie das nicht machen und ich von ihnen umgebracht werde.»
Unsere Waffe ist unser Bewusstsein. Ich habe meine Waffe sehr gerne.
Der 54-Jährige Guerillero Albaro sitzt indes auf seiner Matratze, geschützt von hohen Dschungelbäumen und Blachen. Am Baumstamm nebenan hängt an einem Zweig seine grüne Trinkflasche und das Sturmgewehr. Er dient seit 31 Jahren der Farc. «Unsere Waffe ist unser Bewusstsein. Ich habe meine Waffe sehr gerne. Die Waffen haben uns geholfen, dahin zu kommen wo wir jetzt sind. Aber ich gebe die Waffe ab, weil uns die Regierung in der Zukunft mehr Möglichkeiten gibt.»
Das kann die Regierung nur, wenn die Farc-Konferenz morgen Freitag wie erwartet den Friedensvertrag ratifiziert und die kolumbianischen Stimmbürger am 2. Oktober über dessen definitive Annahme abstimmen.