Darum geht es: In Israel steht die Koalition, welche die Regierung von Benjamin Netanjahu ablösen soll. Der bisherige Oppositionsführer Jair Lapid hatte am Mittwochabend mitgeteilt, die Koalition mit acht Parteien aus allen politischen Lagern sei geschmiedet.
So sind die Reaktionen: Die Ultraorthodoxen sind entsetzt darüber, dass sie vielleicht nicht mehr Teil der Regierung sein werden. Im rechten politischen Spektrum herrscht Wut, weil rechte Politiker und eine Politikerin eine Regierung mit Linken und sogar einer arabischen Partei bilden wollen. Und bei der israelisch-arabischen Bevölkerung reichen die Reaktionen von Skepsis bis zu Unglaube. Sie fragt sich: Wie kann einer der unseren nach dem Gaza-Krieg in eine zionistische Regierung eintreten? So etwas wie Freude oder Schadenfreude zeigen die Demonstrantinnen und Demonstranten, die seit Monaten gegen Premier Netanjahu demonstrieren.
Netanjahu selbst rief dazu auf, dem Bündnis nicht zu folgen. Bei Twitter schrieb er: «Jeder Knesset-Abgeordnete, der mit den rechten Stimmen gewählt wurde, muss sich der gefährlichen linken Regierung widersetzen».
So ist die Stimmung: Die Mehrheit, welche die Koalition im israelischen Parlament hat, ist hauchdünn, nämlich 61 von 120 Sitzen. Dementsprechend gross ist die Nervosität. Nach Medienberichten drängt die neue Regierungskoalition denn auch auf eine Vereidigung bereits am Montag – damit der langjährige Ministerpräsident Netanjahu nicht noch sein Regierungsende verhindert.
Und die Lage ist angespannt. Vor allem die rechten Mitglieder dieser Koalition brauchen sogar speziellen Personenschutz brauchen: Naftali Bennett, der Netanjahu ablösen soll, hat jetzt den gleichen Personenschutz wie der Premier. Das ist aussergewöhnlich.
Das treibt die Politikerinnen und Politiker an: Sie setzen für die Bildung dieser Regierungskoalition viel aufs Spiel: ihr Leben und ihr ganzes politisches Kapital für diese «historische» Koalition. Wenn diese Regierung nicht funktioniert, werden ihnen viele Wählerinnen und Wähler nicht verzeihen, was sie als Verrat betrachten. Dass sie wirklich alles riskieren, hat nur einen Grund: Sie wollen, dass Netanjahu als Premier abtreten muss.
Darum ist Netanjahu so umstritten: Seit 2009 ist Benajmin Netanjahu an der Macht. Damit ist er der am längsten regierende Ministerpräsident Israels. Jedoch glänzt Netanjahu nicht mit der Führung des Landes. Seit mehr als zwei Jahren gibt es keine stabile, funktionierende Regierung. Viermal mussten die Wahlberechtigten seit 2018 ein neues Parlament wählen. Nach jeder Wahl scheiterte der Premierminister mit der Regierungsbildung.
Hinzu kommen Korruptionsvorwürfe gegen Netanjahu, für die er bereits vor Gericht erscheinen musste. Er ist wegen Betrugs, Untreue und Bestechlichkeit angeklagt. Der Regierungschef spricht von einer Hexenjagd und wirft der Staatsanwaltschaft einen «Putschversuch» gegen ihn vor. Seine politischen Gegner finden diese Äusserungen und seine Politik gefährlich und wollen Netanjahu nicht mehr an der Spitze.
So könnte es nun weitergehen: Die neue Regierung muss erst eine Vertrauensabstimmung im Parlament gewinnen. Nun wird darum gerungen, wann diese stattfindet: Netanjahu will sie so lange wie möglich verschieben, die neue Regierungskoalition möchte sie schon am Montag. Das Politdrama in Israel geht also weiter.