Homosexualität in Irak kann künftig mit bis zu 15 Jahren Haft bestraft werden. Mit dem Gesetz verfolgt das Parlament laut der freien Journalistin Meret Michel das Ziel, bei der konservativen Wählerschaft zu punkten und von anderen Problemen abzulenken.
SRF News: Warum kommt es gerade jetzt zu diesem neuen Gesetz?
Meret Michel: Die konservativen Kräfte, die die Politik in Irak dominieren, haben in den letzten Jahren immer wieder solche gesellschaftlich regressiven Gesetze erlassen. Dass sich die gesellschaftliche Repression in Irak nun vermehrt gegen Mitglieder der LGBT+-Gemeinschaft richtet, muss in einem globalen Kontext gesehen werden. Das zeigt sich auch an dem Gesetzestext selber. Darin heisst es, das Gesetz soll die irakische Gesellschaft vor der moralischen Verdorbenheit und den Rufen nach Homosexualität schützen, die die Welt übernommen haben.
Im Vorfeld wurden noch drastischere Gesetzesentwürfe diskutiert. Sogar die Todesstrafe für homosexuelle Beziehungen stand zur Debatte. Was hat den Ausschlag für die Variante mit Gefängnisstrafen von bis zu 15 Jahren gegeben?
Die Abschwächung scheint auf den Druck der USA und der europäischen Staaten zurückzuführen zu sein. Offenbar hat das Parlament auch mit der Abstimmung gewartet, bis der Ministerpräsident Mohammed Shia' al-Sudani von seinem Staatsbesuch in den USA zurückgekehrt ist.
Die Abschwächung scheint auf Druck der USA und der europäischen Staaten zurückzuführen zu sein.
Es war wohl klar, dass dieser Gesetzesentwurf auch in seiner jetzigen Form noch massiv auf Kritik im Westen stossen würde. Tatsächlich haben am Sonntag bereits ein Sprecher der US-Regierung und der britische Aussenminister dieses Gesetz verurteilt oder kritisiert.
Was ändert sich für Homosexuelle mit dem Gesetz?
Das Gesetz schreibt im Prinzip einfach fest, was bisher schon geächtet wurde. Auch wenn man sagen muss, dass das Gesetz sehr weit geht. Denn es stellt zum Beispiel selbst das «Imitieren» des anderen Geschlechts unter Strafe, wie zum Beispiel Schminken oder Frauenkleider tragen für Männer.
Die Verfolgung von Angehörigen der LGBT+- Gemeinschaft ist in Irak bereits heute weitverbreitet und die meisten halten ihre sexuelle Orientierung daher streng geheim
Aber die Verfolgung von Angehörigen der LGBT+-Gemeinschaft ist in Irak bereits heute weitverbreitet und die meisten halten ihre sexuelle Orientierung daher streng geheim. Die Repression reicht von Morddrohungen, Belästigungen im Internet bis hin zu Entführungen, Tötungen oder Mord.
Mehrere westliche Länder und Menschenrechtsorganisationen haben das neue Gesetz kritisiert. Gibt es auch in Irak selbst offen geäusserte Kritik?
Ja, die Organisation Iraq Queer, die sich für die Rechte von Angehörigen der LGBT+-Gemeinschaft in Irak einsetzt, hat das Gesetz in den sozialen Medien verurteilt. Und auch als das Gesetz vor zwei Jahren zum ersten Mal diskutiert wurde, haben sich Stimmen aus dem Umfeld der Oktoberrevolution von 2019 gegen dieses Gesetz positioniert. Aber dadurch, dass das neue Gesetz auch das Bewerben von Homosexualität unter Strafe stellen will, könnten gerade diese Stimmen tangiert werden.
Was will das irakische Parlament mit diesen drastischen Mitteln erreichen?
Es klingt vielleicht banal, aber ich denke, dass es für jene irakischen Politiker, die dieses Gesetz verantworten, vor allem ein einfacher Weg ist, bei der konservativen Wählerschaft zu punkten.
Das, was in Irak ja eigentlich viel dringender wäre, sind zum Beispiel Wirtschaftsreformen oder der Umgang mit Jugendarbeitslosigkeit.
Andererseits ist es ein einfacher Weg, um zu zeigen, dass man etwas macht. Weil das, was in Irak ja eigentlich viel dringender wäre, sind zum Beispiel Wirtschaftsreformen oder der Umgang mit Jugendarbeitslosigkeit. Aber es ist natürlich viel komplexer, als ein Gesetz zu verabschieden, dass Homosexualität unter Strafe stellt.
Das Gespräch führte Oliver Kerrison.